Ich ahnte schon irgendwie, dass „In Wasser geschrieben“ ein richtig emotionaler Banger werden würde, und so war es dann auch. Schon länger lag dieses etwas unscheinbare Taschenbuch bei mir zu Hause, bis ich zwischen den ganzen Neuerscheinungen die Lust gefunden hatte, es zu lesen.
Und eine Neuerscheinung ist das Memoir der amerikanischen Schriftstellerin Lidia Yuknavitch sicher nicht. Im Original ist „The Chronology of Water“ bereits 2010 erschienen, und obwohl es in den USA unter Leser*innen und Buchblogger*innen Kultstatus erlangte, erschien die deutsche Übersetzung erst 2024 und auch nur als Taschenbuch.
Als ich in das Buch einstieg, fragte ich mich schon auf den ersten Seiten, ob ich es überhaupt durchhalten würde, denn Yuknavitch startet mit der Beschreibung der Totgeburt ihrer Tochter und mit dem dadurch ausgelösten unermesslichen Schmerz.
„Als man sie mir schließlich wegnahm, war mein letzter kohärenter Gedanke, eine Gedankenleere, die über Monate andauern würde: Das ist also Tod.“
Später geht sie dann in ihre Kindheit zurück, in ihr dysfunktionales Elternhaus, in dem sie und ihre Schwester von ihrem Vater missbraucht wurden. Ihre Mutter „war ein alkoholkranker manisch-depressiver Borderline-suizidgefährdeter Fall, der hinkte“ und beschützte sie nicht vor dem Missbrauch.
Yuknavitch erzählt auch von ihrer Sportkarriere als junge Schwimmerin. Ihr Verhältnis zum Wasser zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben und durch ihren Text.
In Wasser geschrieben – und in dieses Memoir
Obwohl sie es äußerlich schafft, ihrem Elternhaus zu entkommen, hat ihre Kindheit und Jugend starken Schaden verursacht und auch ihre Erwachsenenjahre sind geprägt von starkem selbstzerstörerischen Verhalten, Verdrängung und Sucht.
In einem langen und schmerzhaften Prozess findet die bisexuelle Yuknavitch im kreativen Schreiben und in verschiedenen Beziehungen Liebe und Heilung.
Ihr Memoir ist brutal in seiner Ehrlichkeit und Yuknavitch scheut sich nicht, die Tiefpunkte ihres Lebens ungeschönt zu explorieren.
„Es ist etwas Großes, einen Satz zu schreiben. Eine Zeile zwischen Leben und Tod.“
Es wundert mich nicht, dass Cheryl Strayed, die Autorin von „Der große Trip“ von dem Buch begeistert war, denn tatsächlich finde ich gewisse Ähnlichkeiten in den Geschichten der beiden Frauen. Doch Yuknavitch bewegt sich definitiv auf einem anderen literarischen Niveau, was ihr Memoir vielleicht tendenziell schwerer zugänglich macht, als das kommerziell sehr erfolgreiche und verfilmte Buch von Strayed.
Ich fand ich in „In Wasser geschrieben“ aber nicht nur ein schmerzhaftes Memoir, sondern auch die Geschichte über eine emotionale Heilung, die mir nahegeht und die mich zart berührt.
Definitiv eine Leseempfehlung für diesen unterschätzten Backlist Titel.
Aus dem amerikanischen Englischen von Claudia Max.
Erschienen beim btb Verlag von Penguin Bücher




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