Toine Heijmans hat mich mit seinem Bergsteigerroman „Der unendliche Gipfel“, der 2023 auf deutsch beim mairisch Verlag erschienen ist, wirklich sehr begeistert. Jetzt hat der Hamburger Independent Verlag nachgelegt und legt Heijmans bereits 2011 erschienenen Seglerroman „Irrfahrt“ neu auf.
Der schmale Roman wurde mehrfach preisgekrönt und verfilmt. Kein Wunder, es ist wieder ein literarischer Abenteuerroman Par Excellence, der sich nicht nur unglaublich spannend liest, sondern gleichzeitig große Fragen verhandelt.
In „Irrfahrt“ ist ein Vater mit seiner kleinen Tochter auf einem Segeltörn. Als Abschluss einer längeren Solo Fahrt möchte der Vater noch 2 Tage mit seiner Tochter an Bord verbringen und eine kleine gefahrlose Überfahrt von Dänemark bis in die Niederlande machen. Er möchte die Exklusivzeit mit seiner Tochter nutzen um ihr eine Welt jenseits des Einflusskreises der Mutter zu zeigen. Seine Gedanken kreisen viel um (in meinen Augen) stereotype Vorstellungen von Vaterschaft und Mutterschaft. Er möchte für seine Tochter das sein, was er unter einem „echten Vater“ versteht.
Zu Hause ist seine Frau die Hauptbezugsperson für seine Tochter und er möchte mit der gemeinsamen Segelzeit die Bindung stärken.
Beruflich steckt er in einer Sinnkrise, da er nicht mehr an alte Erfolge anknüpfen kann, weshalb er sich eine längere Auszeit für den Segeltrip nahm.
Doch ihm unterläuft während des Segelns ein Fehler, der weitreichende Folgen hat und plötzlich alles in Frage stellt…
„Ich muss mich zusammenreißen. Die Verzweiflung überwinden. Nicht herumstümpern. Ihnen zeigen, wer ich bin: ein Vater.“
Der Titel „Irrfahrt“ ist perfekt gewählt, bezieht er sich doch nicht nur auf die Ereignisse während des Segeltörns, sondern auch auf die kleineren und größeren Irrfahrten im Leben, auf denen wir uns alle manchmal befinden.
Und manchmal ist dauert die Irrfahrt vielleicht schon länger an…
Irrfahrt auf dem Meer oder im Leben?
Während sich der Vater auf seiner eigenen Irrfahrt auf dem Segelboot befindet, verschwimmt seine Grenze zwischen Wahn und Realität. Auch als Leser*in verliere ich den festen Boden unter den Füßen. Die Angst, die Heijmans Erzähler beschreibt, erfasst auch mich und zwingt mich dazu, die zweiten Hälfte des Romans ohne Abzusetzen fertig zu lesen.
Wie auch bei „Der unendliche Gipfel“ versteht es Heijmans zweifellos mich an die Seiten zu fesseln. Sein Thema in „Irrfahrt“ ist Elternschaft. Im speziellen Vaterschaft, die meiner Meinung nach in seiner scharfen Abgrenzung zur Mutterschaft, aber in ein zu enges und stereotypes Bild gepresst wird. Hier stößt Heijmans die Tür zur Ambivalenz der Geschlechterrollen in meinen Augen nicht weit genug auf.
Deswegen bleibt „Der unendliche Gipfel“ weiterhin mein Highlight des Autoren. Auch wenn die weitaus schmälere „Irrfahrt“ ebenfalls ein spannendes literarischer Abenteuerroman war, den ich Liebhaber*innen des Genres auf jeden Fall weiterempfehle!
Vielen lieben Dank an den Mairisch Verlag für das großzügig zu Verfügung gestellte Rezensionsexemplar. Danke und viel Erfolg an Toine Heijmans für den Roman!
Aus dem Niederländischen von Ilja Braun
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