Kim Jiyoung, geboren 1982 von Nam-Joo Cho

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Kim Jiyoung geboren 1982 Nam-Joo Cho Rezension

„Auch wenn sich viel in der Welt getan hatte in Punkto Gleichberechtigung, all die kleinen Regeln, Selbstverständlichkeiten, Gewohnheiten innerhalb der Gesellschaft hatten sich nicht erkennbar geändert. Letztendlich war alles überall noch immer beim Alten.“

Genau das.

Der Roman spielt zwar in Südkorea und erschien bereits 2016, aber mit dieser Aussage kann ich mich sehr identifizieren. Vor allem nach meinen Erfahrungen als arbeitendes Elterteil im Corona Lockdown.

Aber auch so hatte dieser Roman so viele schmerzhafte Parallelen und Anküpfungspunkte zu meinem eigenem Leben, dass ich das Hörbuch am liebsten abgebrochen hätte. Das war kein ablenkendes und unterhaltsames Hörvergnügen, sondern eine peinvolle Reise in die meine Vergangeheit in die Zeit meines Berufseinstieges und meiner ersten Schwangerschaft.

Aber genug von meiner eigenen Nabelschau, der Punkt ist klar: „Kim Jiyoung, geboren 1982“ ist kein fan service, es ist die nüchterne Bestandsaufnahme und ein geschichtlicher Abriss des modernen Sexismus in der koreanischen Gesellschaft.

Wobei die Gesellschaftskritik gerne auf andere, ähnlich strukturierte Länder, wie teilweise auch Deutschland, übertragen werden kann.

Cho Nam-Joo skizziert in ihrem Roman den Lebenslauf einer typischen, beliebigen Frau in Südkorea, in Deutschland hieße sie wahrscheinlich Erika Mustermann (!), hier heißt sie Kim Jiyoung und ist 1982 geboren.

Es wird der private und berufliche Werdegang von Kim Jiyoungs Eltern beschrieben und gibt mir einen kleinen Überblick über den gesellschaftlichen Wandel, den Südkorea in kurzer Zeit durchlaufen hat.

Kim Jiyoungs Mutter hatte, den gängigen Konventionen folgend, sich immer allen männlichen Familienmitglieder unterzuordnen. Und als sie eine eigene Familie gründet, ist klar, wer seine beruflichen Träume aufgeben wird und die familiäre Hauptbelastung trägt.

Klassisches und traditionelles Rollenmodell

Ihrer Tochter Jiyoung wird es oberfläch und materiell betrachtet, wesentlich besser gehen. Die politische Stimmung hat einiges zu Gunsten von Frauenrechten geändert. Kim Jiyoung wird ein Studium ermöglicht und darf als voll funktionsfähiges Arbeitsgerät der kapitalistischen Leistungsgeselschaft zur Verfügung stehen.

Voll funktionsfähig, aber natürlich schlechter bezahlt. 

Korea steht an der Spitze der Länder mit den größten Gehaltsunterschieden zwischen Männer und Frauen.

Und als Kim Jiyoung selbst Mutter wird, ändert sich ihre Situation noch einmal ganz grundlegend. Und das nicht zum Besseren….

Auch der Roman hat nichts Versöhnliches oder Hoffnungsvolles. Ich empfehle ihn aber trotzdem auf jeden Fall weiter, falls du eine geballte Analyse sexistischer Gesellschaftsstrukturen handeln kannst.

Übersetzt von: Ki-Hyang Lee

Ich bin jetzt neugierig auf die anderen Romane „Miss Kim weiß Bescheid“ und „Wo ich wohne, ist der Mond ganz nah“, der im Januar bei Kiwi Verlag erscheinen wird.

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