„In Mexiko werden täglich zehn Femizide verübt“
Eine der ermordeten Frauen war die 20-jährige Liliana Rivera Garza, die einzige Schwester von Cristina Rivera Garza, die heute Soziologin, Historikerin und Schriftstellerin ist. In „Lilianas unvergänglicher Sommer“ bearbeitet sie den Femizid an ihrer Schwester, die 1990 von ihrem Ex-Freund ermordet wurde. Er entzieht sich bis heute durch Flucht einer Strafverfolgung.
“Ich will Gerechtigkeit. Es war nicht ihre Schuld, / egal, wo sie war / oder welche Kleidung sie trug. Ich will Gerechtigkeit für meine Schwester. Der Vergewaltiger bist du.”
Mit ihrem Buch möchte Cristina Rivera Garza von ihrer Schwester erzählen und an sie erinnern. Aber vor allem auch darauf aufmerksam machen, dass jeden Tag überall auf der Welt Frauen von Männern getötet werden.
„Die Unterwerfung weiblicher Körper birgt demnach eine Lektion: eine Pädagogik, die die Normalisierung von Grausamkeit propagiert, welche wiederum hilft, das patriarchale System aufrechtzuerhalten. Femizid ist in diesem Kontext ein Hassverbrechen und richtet sich gegen Frauen, allein weil sie Frauen sind.“
Cristina Rivera Garza, die mit ihrer Familie in Mexiko aufgewachsen ist und heute in den USA lebt, begibt sich nach Jahrzehnte wieder auf die Spuren jenes Sommers. Sie versucht die Ermittlungsakten des Falls zu beschaffen, und beginnt die vielen Dokumente und Notizbücher, die ihre Schwester hinterlassen hat, durchzugehen.
Erinnerung an Lilianas unvergänglichen Sommer
Außerdem spricht sie mit Freund*innen von Liliana und mit ihren Eltern über die Vergangenheit.
In dem preisgekrönten Buch, das zuletzt mit dem Pulitzer-Preis 2024 ausgezeichnet wurde, erinnert sie an die intelligente, kreative und lebenshungrige junge Frau, die Liliana war und lässt sie mit Auszügen ihrer geschriebenen Briefen und Texten für mich lebendig werden.
„Lilianas unvergänglicher Sommer“ ist aber auch ein bewegendes Buch über Trauerarbeit, die sich über Jahrzehnte erstreckt.
“Kann man das Leben genießen, während man trauert? Diese allzu bekannte Frage taucht ein ums andere Mal in der Ewigkeit des Kummers auf. Über Schuld wird viel gesprochen, aber zu wenig über Scham.”
Es ist ein Buch, das vom Weiterleben ohne die geliebte Schwester, Tochter und Freundin erzählt. Es hat mich sehr berührt.
„Seit dreißig Jahren vermisse ich Liliana jeden Tag, und jede Stunde in jedem Tag. Jede Minute in jeder Stunde. Jede Sekunde.“
Übersetzt von Johanna Schwering
P.S.: Wenn du dich mehr über Frauenhass und Femizide in Deutschland informieren willst, empfehle ich „Gegen Frauenhass“ von Christina Clemm. Es ist günstig als Schrift bei der bpb (Bundeszentrale für politische Bildung) erhältlich.
Vielen lieben Dank an den Klett-Cotta Verlag für das Rezensionsexemplar mit dem schönen Cover. Danke für dieses und viel Erfolg auch für die deutsche Übersetzung an Cristina Rivera Garza.
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