Plasmatropfen von Joshua Groß

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Plasmatropfen Joshua Groß Rezension

Viele Songtexte handeln davon, dass die Liebe alles überwinden kann. Menschen, die einen depressiven Menschen lieben, müssen feststellen, dass das vielleicht nicht immer stimmt.

Und es gibt keinen Zaubertrick, kein schnell wirkendes Heilmittel.

Der leichte und literarisch innovative Umgang mit diesem schweren Thema zeichnet Joshua Groß neuen Roman „Plasmatropfen“ aus.  Der deutsche Autor bringt in seinem Roman sogar telekinetische Kräfte mit ins Spiel. Seine Protagonistin Helen verfügt über diese paranormale Fähigkeiten und stellt sich die moralische Frage, ob es gerechtfertigt oder übergriffig ist, sie auf andere Menschen anzuwenden.

Ihr Liebespartner Lenell, der als Seismologe die Verwerfungszonen auf der griechischen Insel Egio überwacht, kämpft seit Jahren mit schweren Depressionen. Helen spielt of mit dem Gedanken, mit ihren Kräften versuchen Lenell zu helfen, befürchtet aber seinen Wesenskern und seine Persönlichkeit dadurch zu verändern.

Dem depressiven Lenell fällt es schwer, überhaupt noch eine Sinnhaftigkeit in seinem Leben zu erkennen.

“Wie sollte er sich in seinem seelischen Zustand um die Verwerfung kümmern? Worum sollte er sich überhaupt kümmern?”

Aber auch Helen fragt sich angesichts des katastrophalen Zustands unserer Welt, warum sie überhaupt noch irgendetwas tun sollte, das nicht direkt mit dem Versuch unsere Welt doch noch vor dem Untergang zu retten, verbunden ist?

Ist ihre Kunst nicht Verschwendung, sinnlos und verzichtbar? Ist ein Privatleben nicht Verschwendung, sinnlos und verzichtbar?

„Plasmatropfen“ – Abgefahren und auch wieder nicht

“Aber alle lebten vorgeschoben, weil sich niemand durchringen konnte, den Notwendigkeiten nachzukommen: Alle löffelten lösliche Tütensuppen, alle inhalierten Schadstoffe, alle verseuchten sich durch Nichtanteilnahme, alle übten sich in andauernder Ignoranz.”

Ich hatte einige Zeit überlegt, ob ich „Plasmatropfen“ wirklich lesen wollte. Die Kurzbeschreibung klang nach einer intellektuell fordernder und abstrakt bis surreal angelegter Geschichte. 

Und bis jetzt habe ich auch den Spechtmensch und das Exoskelett noch gar nicht erwähnt…

Angeregt durch ein paar Gespräche auf der FBM am Stand des Verlags, hatte ich dann aber doch Lust, die Literatur von Joshua Groß kennenzulernen.

Und ja, der Roman ist abstrakt bis surreal, aber von der mir noch greifbaren Art und von einer unglaublich erzählfreudigen Neuartigkeit. Ich bin gleichermaßen fasziniert und begeistert von Groß Verweigerung jeglicher Konventionalität. Die Beziehungen und das Charaktere seiner Figuren haben nichts mit normativen Vorstellungen zu tun und auch stilistisch passt Groß in keine eng gefasste Beschreibung. Seine verwendete Sprache ist teilweise exklusiv, denn er verwendet manchmal Worte verwendet, die mir nicht bekannt sind, die sich aber durch den Kontext erklären und sich in den surrealen Still perfekt einfügen.

Pars pro toto?

Groß kombiniert profanen Szenen und Gedanken (fehlendes Wasser auf der Zugtoilette, warmer Bubbletea als eine Option in der kalten Jahreszeit?) mit umfassenderen Fragen, wie die sinnvolle Gestaltung des eigenen Lebens und der Liebe. Auch Gegensätze und Metaphern spielen eine große Rolle, auch wenn es kein Roman ist, den ich überinterpretieren muss, sondern in dem ich vieles auch einfach auf mich wirken lassen kann.

Ich finde das alles sehr ungewöhnlich, sehr neuartig und auch in gewisser Weise herausfordernd.

Auf jeden Fall habe ich jetzt noch viel mehr Lust auf die Literatur von Joshua Groß, von dem bereits die Romane „Prana Extrem“ und „Flexen in Miami“ sowie der Erzähl- und Essaysammlung „Entkommen“ erschienen ist.

  • Joshua Groß
  • Plasmatropfen Joshua Groß Klappentext

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