Oder die fünf Reden des Jowna
Das Hörbuch von „Pompeji“ fällt für mich in die Kategorie „Outside the box“, ich bewege mich hier nämlich außerhalb meiner üblichen Themen-Komfortzone.
Doch der Titel sprach mich einfach spontan an, da ich ein …äh…leicht voyeuristisches Vergnügen an Katastrophengeschichte habe. Wenn man sich mit diesem Roman von Eugen Ruge beschäftigt, wird allerdings schnell klar, dass man es hier natürlich nicht mit klassischer Action-Dramaturgie zu tun hat, sondern es sich um eine Gesellschaftsparabel handeln soll.
In einigen Amphoren werden Schriftrollen gefunden, auf denen die Lebensgeschichte und die Reden des Jowna, genannt Josse, aufgezeichnet wurden. So ist der Roman folgerichtig nicht in Kapitel, sondern in Amphoren unterteilt. Der Aufbau ist klassisch. Ich lese in den Aufzeichnung des praktischerweise allwissenden Erzählers von Jowna, seiner unspektakulären Kindheit in einfachen Verhältnissen und seinem politischen Erwachen. Oder vielmehr seinen ersten Schritten auf dem gesellschaftlichen Parkett und seiner ersten Rede, die eigentlich fast Zufall ist. Josse tritt dem Verein der Vogelkundler bei, die hauptsächlich philosophieren und sonst so einiges tun was der Vereinsname nahelegt, außer Vogelkunde.
Mit Gründung einer alternativen philosophischen Kommune beginnt Josses politische Karriere, in der er allerdings immer ein Spielball größerer und skrupelloserer Akteure bleibt. Es werden Intrigen geschmiedet, Allianzen geschlossen und gelöst. Die Anzeichen des drohende Vulkanausbruch verkommen zum reinen demagogischen Mittel, das je nach eigenem Nutzen umgedeutet wird. Es wimmelt von Samniten, Römern, Epikureern, Pythagoreern, Eumachiern, Garum und dergleichen. Jahrelanger Lateinunterricht und der erst kurz zurückliegende kleine philosophische Crashkurs von Lukas Kiemele helfen mir zum Glück beim Grundverständnis der verwendeten Begriffe und Denkströmungen.
Die lustigste Szene ist die Begegnung zwischen Josse und Plinius dem Älteren. Ruge arbeitet hier ziemlich amüsant heraus, wie wandelbar und der Mode unterworfen die Wissenschaft ist, die doch jede Generation für die ultima ratio hält.
Ja, Politiker*innen sind korrupt und hängen ihr Fähnlein in den Wind, bevorstehende Gefahren werden trotz Warnzeichen ignoriert. Geld, Sex und Klüngelei regieren die Welt. Klassismus, Gier und Konservatismus sorgen für den Erhalt des Status Quo.
„Pompeji“: Historischer Roman oder Gesellschaftskritik?
Alles nichts neues, aber leider auch nicht so lustig und spitz paraphrasiert, dass es mir richtig Spaß macht.
Die eingestreuten Sexszenen mit den für mich peinlich-unangenehmen Formulierungen machen die Sache nicht unterhaltsamer.
Ich denke, intellektuell geschliffenere Geister mit humanistischem Background könnten durchaus ihre Freude an den Amphoren Texten finden. Ich bin jedoch ein*e Liebhaber*in von leichter zugänglicher und unterhaltsamerer Gesellschaftskritik. Für mich ist „Pompeji“ für einen Historienroman zu wenig konkret und zu doppelbödig, bietet mir aber gleichzeitig für eine Gesellschaftsparodie zu wenig Anknüpfungspunkte und Vergleichsmöglichkeiten.
So lautet mein Fazit: „Pompeji“ war für mich ein doch eher lauer Abstecher, der hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben ist.
Wunderbar und souverän gelesen von Sprecher und Schauspieler Ulrich Noethen.
Vielen Dank an den Argon Verlag und NeGalley für die Bereitstellung des digitalen Hörexemplars!
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