Ich fand, der Debütroman „Schmutz“ [org. The Coin] der palästinensischen Journalistin Yasmin Zaher war ein außergewöhnlich seltsamer Roman mit einer außergewöhnlich seltsamen Ich-Erzählerin.

Aber manchmal mag ich seltsame Geschichten richtig gerne, und auch „Schmutz“ habe ich im Laufe des Romans mit wachsender Faszination gerne gelesen.

Die Ich-Erzählerin ist, wie die Autorin selbst, gebürtige Palästinenserin und lebt in New York, arbeitet aber als Lehrerin für Jugendliche.

Als junge Immigrantin in den USA betrachtet sie das Land analytisch und mit einer gewissen Distanz:

„Amerikaner sind sehr auf den Schutz ihrer Kinder bedacht, vielleicht weil es das einzige Land der Welt ist, in dem Schulmassaker kulturelle Praxis sind.“

Und auch wenn sie die USA (noch) nicht als ihre Heimat sieht, ist auch Palästina sehr weit weg und nur noch eine vage Erinnerung. Die Erzählerin fühlt sich wurzellos, orientierungslos und ohne festes, moralisches Wertesystem.

Diesen Kontrollverlust versucht sie mit einem übertriebenen Hygiene- und Sauberkeitsbedürfnis zu kompensieren, was fast schon Form einer Zwangsstörung annimmt.

„Ich muss ganz ehrlich zu dir sein. Es wird gut werden mit uns beiden. Du wirst sehen, dass ich eine moralische Frau bin, dass ich nur eins will, nämlich sauber sein.“

Auch in ihrem Privatleben gibt es keine feste Konstante. Obwohl sie eine Art Boyfriend hat, den sie sogar einigermaßen mag, trifft sie sich für Sex mit anderen Männern und Frauen.

Kann ich Schmutz bekämpfen?

Eines Tages lernt sie durch einen verrückten Zufall einen Mann kennen, der ihr irgendwann eine Parisreise und ein ungewöhnliches Geschäftsmodell vorschlägt. 

„Tja, welche Geschichte wolltest du denn von mir hören?“

Ich finde, es stecken viele Geschichten und Themen in diesem unkonventionellen Roman und seiner unkonventionellen Erzählerin. Für mich am einprägsamsten war die Verzweiflung der Erzählerin, irgendwie ein wahrhaftiges und für sie stimmiges Leben zu führen, in einer Welt, in der so viele Botschaften widersprüchlich sind.

Gerade die fast schon surreale Entwicklung gegen Ende des Romans, als die Psyche und das Leben der Erzählerin immer weiter eskalieren, hat mir super gut gefallen.

„Schmutz“ ist bestimmt kein Roman, der den Massengeschmack bedienen wird, dafür ist seine Erzählerin einfach zu unkonventionell und der Plot vermutlich zu wenig stringent. Aber wenn du dich auf die Geschichte einlässt, findest du vielleicht wie Katie Kitamura auch „Ein außergewöhnliches Debüt von einer unfassbar talentierten Autorin“.

Vielen lieben Dank an den Blessing Verlag von Penguin Bücher für das ungewöhnliche Rezensionsexemplar. Danke und viel Erfolg an Yasmin Zaher für ihren Roman!

Aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl