Noch ein #metoo Roman? Ich habe in letzter Zeit einige Romane zu diesem Thema gelesen und kann diese Frage mit einem klaren „Yes, please, keep on going!“. Ich möchte noch viel mehr Texte und Geschichten dazu lesen, ich möchte ein Ende des Schweigens und ich möchte einen gesellschaftlichen Wandel.
Zudem möchte ich natürlich auch noch gut unterhalten werden und das war ich mit „Service“ der irischen Autorin und Journalistin Sarah Gilmartin.
Dem renommierte Koch und Eigentümers eines Dubliners Sterne-Restaurants werden sexuelle Übergriffigkeiten vorgeworfen und es kommt zum Prozess. Ein fiktives Szenario, das aber real auch schon in Deutschland in der Presse zu finden war.
Das besonders interessante und lesenswerte an Gilmartins Roman ist der multi-perspektivische Aufbau. Ich lese die Geschichte jeweils aus der Sicht und der Ich-Perspektive von Daniel, dem angeklagten Koch, Julie, seiner langjährigen Ehefrau und Hannah, seiner ehemaligen Servicekraft.
Drei Perspektive . Drei Wahrheiten?
Hannah ist sehr jung als sie im Team des Restaurant beginnt zu kellnern und sich bewusst, das ihre ansprechende Optik der Hauptgrund für ihre Anstellung war. Trotzdem gefällt ihr die aufregende und adrenalingeladene Arbeit und die Tatsache, dass sie dort gutes Geld verdient. Jetzt, Jahre später, zum Zeitpunkt des Prozesses muss sie sich allerdings fragen, ob sie nicht die Augen zu oft vor einem misogynen Arbeitsumfeld verschlossen hat.
Daniel ist zweifellos misogyn und sexistisch, das wird bereits auf den ersten Seiten klar. Er gehört zu den Typen, die denken, Frauen wurden geschaffen um Männern zu gefallen und ihren Bedürfnissen zu dienen. Er sieht sie nicht als eigenständige Menschen. Angesichts der aktuellen Vorwürfe fühlt er nur Selbstmitleid und keine Reflektion.
Die interessanteste Entwicklung und Gedanken finde ich bei Julie, Daniels Frau. Wie hat sie die Vergangenheit erlebt und wie sieht sie Daniel angesichts der Anschuldigungen, die gegen ihn vorgebracht werden?
Ich liebe Gilmartins aufregenden Schreibstil und ihre spannenden Beschreibungen der Restaurantszene. Sie beschreibt sehr authentisch die Gefühle der Menschen, die dort ihre Bestimmung und Leidenschaft finden. Mir gefällt der Spannungsaufbau und die offenen Fragen, die allmählich mit den Erinnerungen der Beteiligten aufgefüllt werden. Den ersten Teil des Romans finde ich deswegen deutlich stärker als die zweite Hälfte. Die Figurenentwicklung fällt später leider in meinen Augen ein bißchen schwach und wenig überraschend aus. Durch eine gewisse Vorhersehbarkeit der Ereignisse verliert sich für mich der Spannungsbogen im letzten Drittel.
Mich hat „Service“ richtig gut unterhalten und seine Veröffentlichung fügt sich sehr gut in die Reihe spannender und lesenswerter Roman zu diesem wichtigen Thema ein. Wenn du „Prima facie“ von Suzie Miller mochtest, ist „Service“ auf jeden Fall auch ein Buch für dich!
Liebes Dankeschön an den Kein & Aber Verlag für das schöne Rezensionsexemplar with the beautiful Cover von Maurice Ettlin!
Aus dem irischen Englisch von Anna-Christin Kramer
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