Juchu! „So wie du mich willst“ war genau das richtige Buch, um es krank auf dem Sofa so richtig weg zu suchten. Einmal angefangen und nicht mehr weggelegt.
Schon der kurze Prolog stimmt auf das nachfolgende Thema ein: es geht um die misogynen gesellschaftlichen und patriarchalen Strukturen, die Frauen nur einen Wert gemäß ihrer sexuellen Verwertbarkeit zuweisen. Und die ist irgendwann, spätestens mit 50, zu Ende.
Danach: „Geh sterben“
Der Roman beginnt mit den Gesprächen von Claire, einer Frau Ende 40, und ihrem jüngeren Psychiater Dr. Marc B., die offensichtlich in einer Art Klinik geführt werden. Claire erzählt die Geschichte, wie sie sich virtuell auf Facebook in einen jüngeren Mann verliebt hat. Und wie sie, um sein Interesse zu wecken, eine falsche virtuelle Identität erfunden hat. Sie macht sich zur attraktive Frau Anfang 20, sie umschmeichelt ihr Love Interest Chris und täuscht gemeinsame Interessen vor.
Chris und Claire bauen eine intensive virtuelle Beziehung auf und schon bald glaubt Chris, in die gefakte Claire verliebt zu sein. Es wird für Claire immer schwieriger zu begründen, warum ein reales Treffen keine gute Idee ist.
Wie du dir bestimmt vorstellen kannst, nimmt die Geschichte natürlich einen tragischen Ausgang.
Aber das ist noch nicht alles.
Nachdem ich zu wissen glaube, was passiert ist, wechselt Laurens die Perspektive und ich lese die Meinung des Psychaters Dr. Marc B. über seine Patientin und über das Vorgefallene.
Wem kann ich glauben?
Später wird die Perspektive in einem Brief abermals wechseln und alles wieder in einem komplett anderem Licht zeigen.
Das ist wirklich meisterhaft gemacht und gefällt mir ausgesprochen gut. Laurens lässt Realität und Fiktion raffiniert übereinanderlaufen und dekliniert das Begehren und die Liebe einer Frau aus vielen Perspektiven durch.
Laurens Resumee fällt dabei kritisch aus: bei ihr ist die Liebe Teil einer komplett kapitalisierte Welt, in der die eigene Potenz und Kaufkraft rein an den sexuellen Marktwert geknüpft ist. Dieser Marktwert wird von den Männer bestimmt, deren Blickwinkel die Preise vorgibt.
Auch literarisch kann mich „So wie du mich willst“ überzeugen. Die von Laurens gewählten Errzählformen wie das Gespräch oder der Brief sind alle rein subjektiv. Eine auktoriale Erzählerin gibt es hier nicht. Die unterschiedlichen Schreib- und Sichtweisen erzeugen eine große Spannung und Sogwirkung!
Ein wahnsinniger fesselnder und unterhaltsamer Roman, und dabei gleichzeitig sehr gesellschaftskritisch und ernüchternd!
Ein großes Dankeschön an den dtv Verlag für das Rezensionsexemplar, hinter dessen unauffälligem Cover sich ein toller Roman versteckt!
Aus dem Französischen von Lis Künzli
P.S. : In Frankreich erschien der Roman bereits 2016 und sorgte dort für Aufregung. Es gibt sogar bereits eine gleichnamige Verfilmung von Safy Nebbou mit Juliette Binoche in der Hauptrolle. Möchte ich jetzt natürlich unbedingt sehen!
Schreibe einen Kommentar