TASMANIEN von Paolo Giordano

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Tasmanien Paolo Giordano Rezension

„Tasmanien“ konnte nicht an meine Begeisterung über Giordanos „Den Himmel stürmen“ (2018) anknüpfen. Dieser Roman und „Die Einsamkeit der Primzahlen“ waren für mich eindrückliche Lese- und Hörerlebnisse, was ich über „Tasmanien“ nicht sagen werde.

Ich kann nicht einmal sagen, ob ich „Tasmanien“ für ein gutes Buch halte, zu undifferenziert ist meine Meinung darüber. Es entzieht sich meinem Zugang auf mir ungewohnte und unübliche Weise.

Paolo Giordano schreibt über seine Figur Paolo, die genauso alt ist und einen ähnlichen Beruf hat, wie er selbst. Das lässt mich spekulieren, wie ähnlich Giordano seinem Ich-Erzähler wirklich ist.

Paolo steckt in einer tiefen individuellen und globalen Sinnkrise. Seine Ehe ist am Scheideweg, der gemeinsame Kinderwunsch bleibt unerfüllt.

Klimaveränderungen, Terroranschläge und der unbedingte Zerstörungswille der Menschheit, das sind die globalen Themen, die Paolo beschäfftigen.

Sein einziger Coping Mechanismus: Flucht und Verdrängung. Paolo vermeidet jegliche Stellungnahme und Verantwortung.Paolos Verhalten scheint mir nicht das eines erwachsenen Mannes, es scheint mir das eines heranwachsenden Kindes. 

Das mag alles sehr zeitgeistig sein, ich persönlich kann dieser Erzählart nicht viel abgewinnen. Wahrscheinlich liege ich mit meiner Interpretation daneben, aber mir deucht das schon sehr nach detaillierten Beschreibungen von Vermeidungsstrategien in Kombination mit fragiler Männlichkeit.  

Individuelles Verhalten als Spiegel der Zeit?

In den Passagen, in den denen Giordano über die historische Atombombe und seine Entwickler schreibt, spüre ich meine alte Faszination für den Autoren. Sie sind fesselnd und spannend geschrieben und bieten die Parallelen in unsere heutige Zeit deutlich an. Auch handwerklich beherrscht Giordano sein Werkzeug, das wiederkehrende Thema der Wolken (sowohl symbolisch als auch konkret) sowie das allegorische Tasmanien ziehen sich als roter Faden durch den Roman und schaffen so ein anspruchsvollen und literarischen Roman im typischen Giordano Stil.

Ich möchte keine Empfehlung für oder wieder den Roman aussprechen. Meine Enttäuschung ist tu einem gewissen Teil meiner hohen Erwartungshaltung geschuldet und die schwache Ausarbeitung der Themen hat vielleicht seinen eigenen Sinn und Reiz, der mir verschlossen blieb.

Wäre das ein Roman, der euch anspricht oder habt ihr ihn schon gelesen?

Paolo Giordano Tasmanien Klappentext

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3 Antworten zu „TASMANIEN von Paolo Giordano“

  1. Avatar von Matthias
    Matthias

    Meine Leseerfahrung mit „Tasmanien“ ist eine völlig andere. Vielleicht liegt das daran, dass der Roman mein erster von Giordano ist. Mich hat das Buch fasziniert, ja sogar gefesselt. Das Seelenleben, ja Erleben, von Paolo ist für mich eindrücklich und plastisch erzählt. Und zwar so, dass es einerseits individuell schlüssig erscheint: Der Erzähler beschreibt sich als Zauderer, als Mensch der verpassten Chancen, als Beobachter, aber kaum als Handelnder. Das ist m. E. sehr rund. Das kann man andererseits auch prototypisch lesen: Paolo als Symbol für eine akademische Klasse, deren Bildung und Bewusstsein für alle Problemlagen dieser Welt in krassem Gegensatz zu ihrem Engagement für eine bessere Welt steht. By-the-way: Ich lese das Buch im Februar 2025. Trump steigt gerade wieder aus dem Klimaschutzabkommen aus. Die Passagen zu seinem ersten Ausstieg lesen sich erhellend wie weitsichtig, auch der Seitenhieb aus Musk. Meine Empfehlung: Lesenswert! Zumindest für Giordano-Einsteiger. Die Kenner hingegen mögen Milde walten lassen.

    1. Avatar von Burnerdano

      Danke für deinen ausführlichen Kommentar zu deiner Lesewahrnehmung von „Tasmanien“ 🤩! Das freut mich wirklich sehr!
      Und es freut mich auch, dass du den Roman so gerne gelesen hast. Giordano ist ein wahnsinnig guter Erzähler, ich glaube da sind wir uns sehr einig, auch wenn ich mit Tasmanien nicht so viel anfangen konnte.
      Jetzt im Nachhinein, also 2025, finde ich es schon bemerkenswert, wie Giordano unseren Zeitgeist eingefangen hat. Dieses Zaudern und die Unfähigkeit oder Unwille (?) die eigene und die globale Situation zu verändern, die du auch beschreibst.

      1. Avatar von Matthias
        Matthias

        Ich bin übrigens noch gar nicht komplett durch. Aber der Roman hat mich in vielerlei Hinsicht irritiert, sodass ich etwas gegoogelt habe. Es gibt im deutschsprachigen Netz ja recht wenig Rezensionen über das Werk. Von daher auch Danke für deinen Aufschlag! Ich kannte den Blog vorher nicht. Gehört schon Mut und Ausdauer dazu. Chapeau! Ab heute werde ich häufiger mal vorbeischauen. Versprochen!

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