Dass mich ein Roman nach einem so schlechten Start dann doch noch so packt, erlebe ich nicht so oft. Aber bei „Unter Grund“ ist genau das passiert.
Als ich mit dem Lesen beginne, bin ich erst mal komplett verwirrt wegen der vielen Namen: Franka, Hannah und dann noch Janna?
Nach 30 Seiten legt sich meine erste Verwirrung, was gut ist, denn es kommt noch einiges an weiterem Personal dazu.
Bald kapiere ich, dass Franka die Erzählerin ist und ich ald blicke auch bei ihrer Verwandtschaft durch.
Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen: in der Gegenwart, in der die angehende Lehrerin Franka mit einer Klasse und ihrer Freundin Hannah das Oberlandesgericht besucht, um den Zschäpe Prozess zu verfolgen.
Eine zweite Storyline spielt in der Vergangenheit, in der die junge Franka sich von Nazis vereinnahmen lässt und sich in einer rechtsradikalen Gedankenwelt verstrickt.
Gerade diese Erzählebene nimmt den Hauptteil in „Unter Grund“ ein und gefällt mir ausgesprochen gut. Es gelingt Liepold wunderbar die Atmosphäre 2006 zur Zeit des deutschen WM Sommermärchens einzufangen.
Als Fränkin finde ich die Schilderungen von Frankas fränkischer ländlicher Heimat sehr authentisch. Und als Fränkin weiß ich natürlich auch, dass Nazis kein rein ostdeutsches Phänomen sind.
Liepold beschreibt mit Frankas neuen rechten Freunden Patrick und Janna sehr gut die Probleme und Lebensrealität von Menschen, die sich abgehängt fühlen und die vom Jammern die Nase voll haben. Die sich mehr Action wünschen.
„Taten statt Worte.
Handeln statt Labern.“
Die Parallelen zwischen Frankas Geschichte und ihrer Freunde und die der terroristischen NSU Verbindung sind offensichtlich.
Und sie sind heute im Jahr 2025 immer noch von gleicher Brisanz.

Wo beginnt die Schuld?
Der Gegenpart zu den Nazis Patrick und Janna ist Frankas alter Schulfreund Leon, den ich als Stellvertreter einer gebildeten, linkeren Gesellschaftsschicht sehe. Leon ist aber zweifellos auch privilegierter und handelt auch nicht immer moralisch integer.
Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich Franka, bis verschiedene Faktoren sie zur Entscheidung für eine Seite zwingen.
„Sie war kein Opfer. Sie wollte kein Opfer sein. Niemals. Sie würde allen zeigen, dass sie sich für die richtige Sache engagierte.“
Diese Romanteile fand ich wirklich unglaublich fesselnd und gut geschrieben. Tendenziell war der Roman für mich ein bißchen zu überladen und zu vollgepackt. Da hätte es vielleicht noch ein paar Seiten mehr gebraucht um allen Erzählsträngen gerechter zu werden. Gerade der Struggel, mit dem die Franka der Gegenwart kämpft, hätte gerne gerade in der Auflösung noch etwas vertieft werden können.
Ich fand „Unter Grund“ ein mega starkes Debüt der Wahlmünchnerin Annegret Liepold mit einem wichtigen und gesellschaftskritischen Thema.
Deswegen gibt es trotz meiner kleineren Kritikpunkte eine große Leseempfehlung für ihren Roman!
Vielen lieben Dank an den Blessing Verlag von Penguin Bücher und dem Team vom Bloggerportal für das Rezensionsexemplar mit dem schönen Cover. Danke und viel Erfolg an Annegret Liepold für den Roman!
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