Rezension
In der Danksagung von Riese auf den letzten Seiten von „Wir sind hier für die Stille“ und in der Autor*innenbeschreibung kann ich lesen, dass Riese mit ihren Eltern 1993 nach Rumänien ging, um eine Weile dort zu leben.
Das ist natürlich ein großer autobiografischer Bezug zu ihrem Roman „Wir sind hier für die Stille“, in dem die sechsjährige Protagonistin Judith, ebenfalls mit ihren Eltern nach Rumänien auswandert.
Die Eltern von Judith, Kurt und Anna, sind zwei idealistische Aussteiger, die das Leistungssystem in Deutschland hinter sich lassen wollen und auf der Suche nach der richtigen und besseren Lebensweise sind. Sie hoffen, sie im einem ländlichen abgelegenen Dorf in Transilvanien, am Rande der Karparten, zu finden.
Riese erzählt vom ländlichen Leben, von den Bewohner*innen des Dorfes und den örtlichen Sozialgeflechten komplett aus der Sicht der kleinen Judith. Das Mädchen erzählt wie sie im Dorf Anschluss und Freund*innen findet und von der sprachlichen Umstellung. Ich merke dem Text an, dass Riese vermutlich ihre eigenen Erfahrungen einfließen lässt, denn das Dorfleben wird sehr authentisch und detailliert geschildert.
Nach der Hälfte des Romans stelle ich fest, dass er mich noch nicht wirklich fesseln kann. Judiths Kinderperspektive ist mir zu lakonisch distanziert und obwohl natürlich altersgemäß, einfach zu schlicht. Wesentlich mehr hätten mich die Gedanken ihrer Mutter interessiert, ihre Probleme und Konflikte, die in Judiths Welt nur einen kleinen Raum einnehmen.
Kinderperspektive finde ich schwierig…
Leider wird sich das im weiteren Verlauf des Romans auch nicht mehr ändern, weswegen mir das Lesen nicht wirklich Freude gemacht hat.
Der Spannungsbogen ist entweder so subtil, dass ich ihn nicht erkenne, oder er ist nicht vorhanden. Die im Klappentext angedeutete Zuspitzung der Handlung kann ich nicht entdecken. Ich brauche nicht zwangsläufig einen Plotaufbau, manchmal reicht mir auch nur eine Milieuschilderung, eine Charakterstudie oder eine besondere sprachliche Konstruktion. Doch auch das kann ich in „Wir sind hier für die Stille“ nicht für mich finden.
Auch wenn ich den Roman nicht wirklich mit Vergnügen oder mit Informationsgewinn gelesen habe, ging es kundigeren Leser*innen damit anders, was die Nominierung für die Shortlist des Literaturpreis Fulda beweist!
Von daher solltest du vielleicht lieber noch andere Quellen zu Rate ziehen, wenn du überlegst, ob du Lust auf diesen Roman hast. Denn offensichtlich hat “Wie sind hier für die Stille” Qualitäten, die an mir vorbeigegangen oder nicht wertgeschätzt wurden.
Dankeschön an den Berlin Verlag für das Leseexemplar und Danke und trotzdem natürlich viel Erfolg für Dorothee Riese für ihren Roman!
Transparenz: Der Berlin Verlag, der dieses Jahr sein 30-jähriges Jubiläum feiert, gehört innerhalb der Bonnier Media Deutschland zum Piper Verlag.
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