»Maria Pourchet erzählt davon, was Frauen allzu oft von Generation zu Generation weitergeben: Selbsthass, Unterwerfung und die Hinnahme der vermeintlichen Überlegenheit des Mannes.« schreibt die Marie Claire.
Das klang für mich interessant genug es nach dem für mich nur lauwarmen „Feuer“ noch einmal mit der französischen Autorin zu versuchen.
Und es hat sich absolut ausgezahlt. In „Alle außer dir“ fokussiert sich Pourchet auf die feministische Aufarbeitung einer Mutter-Tochter Beziehung, die ich als laut, anklagend, plakativ, aber auch authentisch und wahrhaftig empfinde. Eine Mischung, die mir sehr gut gefällt!
Pourchets Ich-Erzählerin Marie bekommt mit 35 alleine ihr erstes Kind, Adèle. Sie beschreibt die Zeit im Krankenhaus kurz nach der Geburt.
Dabei wendet sich die Erzählerin direkt ihre Tochter, erzählt ihr von ihrer eigenen Kindheit und vor allem von ihrer Mutter und den Glaubenssätzen, die ihr bisheriges Leben so stark geprägt haben.
„Du bist nicht der Nabel der Welt“
„Glaubst du nicht, dass du dir das alles einbildest“
„Du wirst mir noch dankbar sein“
„Denk nicht immer nur an dich“
Sätze, die auch bei mir ungut widerhallen und negative Erinnerungen wecken. Und nicht nur die Mutter, auch die Schwestern und Hebammen im Krankenhaus stimmen in den misogynen, verletzenden Kanon mit ein. Sie reihen sich in eine Geschichte ein, die Frauen kleinmacht. In der der Mann der überlegene Standard und Frauen nur Ausschussware sind.
Fest verankerte Glaubenssätze
Die Erzählerin denkt an die Frau, die die Mutter ihrer Mutter war. Und die vermutlich die gleichen Sätze schon zu ihrer Tochter sagte. Eine lange, überlieferte Kette aus Selbsthass, Abwertung, Bodyshaming und Slutshaming. Aber wo ist der Ursprung? Marie erkennt, dass eine Mutter, die selbst nie ein geliebtes Kind sein durfte, für immer auf der Suche nach dieser Liebe bleiben wird und selbst nur wenig Liebe geben kann.
„Man sollte es diesem alten Kind verzeihen, es ist völlig außer Atem, seit sechzig Jahren schreit es, dass man es aus der Kälte holen soll und hat nicht mitbekommen, dass dies längst geschehen ist.“
Ich finde in dem Roman unglaublich starke und intensive Sätze. Pourchet schreibt nicht subtil, sie schreibt massiv. In „Feuer“ hat mich das gestört, weil ich es teilweise als sinnentleerte Phrasen empfunden hatte. In „Alle außer dir“ fühle ich den Gehalt hinter den Worten. Und ich denke nicht, dass die Ähnlichkeit des Namens der Erzählerin mit dem Namen der Autorin zufällig ist.
Der Roman „Alle außer dir“, erschien in Frankreich schon 2018, wurde also vor dem Roman „Feuer“, der als erstes Buch der Autorin ins Deutsche übersetzt wurde, geschrieben.
Ich denke, ich würde gerne auch weitere, übersetzte Romane von Maria Pourchet lesen.
„Dieses Buch wird verletzen. Ich habe es zurückgehalten, habe die Zähne zusammengebissen, ich hatte Schiss. Das ist nun vorbei. Ich habe keine Angst mehr, die Dinge haben sich verändert. Ich habe keine Wahl.“
Vielen lieben Dank an den Luchterhand Verlag und das Team vom Bloggerportal für das schöne Rezensionsexemplar!
Aus dem Französischen von Claudia Marquardt
Schreibe einen Kommentar