🌺 Jede*r kennt mittlerweile die Metoo Thematik und die Diskussionen, die darum entstanden sind. Hier geht es aber nicht um meine persönliche Meinung zu diesem Thema, sondern um diesen Roman „Blütenschatten“ von Annalena McAfee, der einen ungewöhnlichen Beitrag zu dieser Diskussion leistet.
🌺 McAfee beleuchtet in ihrem Roman Rollenbilder und Sexismus auf eine für mich sehr unterhaltsame und zum Nachdenken anregende Art.
Ihr Roman ist sehr komplex und vielschichtig und serviert keine Meinungen und Antworten auf dem Silbertablett. Das gefällt mir, weil es, anders als moralisch vorgefertigte Texte, Raum für viel Grau zwischen dem ganzen Schwarz Weiß lässt.
🌺 Wir tauchen mit McAfees Protagonistin Eve ganz tief in den Londoner Kunstbetrieb ein, der, wie so viele kulturelle Brachen, immer noch von Sexismus und männlichen Normativ durchdrungen ist. Die 60jährige Künsterlin Eve hat es im Laufe ihre langen Künstlerkarriere geschafft sich von männlichem Protektionismus freizuschwimmen und sich eine eigene Karriere aufgebaut. Diverse Lebenspartner und ihre Tochter hat sie ihrem Streben nach künstlerischer Betätigung immer untergeordnet. Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit der Darstellung von Blumen und ihren Lebenszyklen. Eine große Retroperspektive soll der bisherige Höhepunkt ihrer Schaffenskraft werden. Sehr (!) ausufernd beschäfftigt sich der Roman mit dem künstlerischen Schaffen von Eve und ihren Kolleg*innen. Vor allem mit der gleichaltrigen Wanda, deren Werk Eve für aussagelos und overrated hält, verbindet sie eine lebenslange künstlerische und private Konkurrenz und Feindschaft.
Während der Arbeit für ihre Retroperspektive beginnt Eve eine Beziehung ihrem halb so alten Assistenten Luca…
🌺 Hier ahne ich als Leser*in schon nichts Gutes…und natürlich führt diese Beziehung, die scheinbar als Amou fou beginnt, in die Katastrophe.
🌺 Dabei ist Annalena McAfee eine Meisterin der komplexen Zwischentöne. Ist Eve Opfer eines sexistischen Umfeldes und nimmt sich nur das gleiche heraus wie ihre männlichen Kollegen? Wie würde ich einen männlichen Künstler mit dem gleichen Verhalten bewerten?
Ist eine Beziehung mit einem derart großen Machtgefälle überhaupt möglich?
In vielen Romanbesprechungen habe ich während meiner Recherche gelesen, dass die Protagonistin Eve ziemlich unsympathisch und kalkulativ bewertet wird. Das sehe ich nicht so. Sicher, sie stellt ihre Kunst immer an erster Stelle und ihr Privatleben und Freund*innen hinten an. Sie ist Künstlerin durch und durch und bereit für ihr aktuelles Werk alles zu opfern. Ist es internalisierte Misogynie, solche Eigenschaften bei einer Frau als unsympathisch zu werten?
🌺 Trotz der detailreichen Beschreibungen von künstlerischen Schaffensprozessen hat mich der Roman gut unterhalten. Ich fand die Einblicke in die Kunstszene interessant, und auch wenn mich die beschriebene Herabwürdigung von Frauen geschaffener Kunst, in der Vergangenheit und auch noch heute, nicht überrascht, so bringt es McAfee wunderbar zu Papier.
Zum Schluss des Romans verdichtet sich die Handlung und endet mit einem blutigen (aber erwartbaren) Höhepunkt.
Als Hörbuch sehr ansprechend gelesen von Claudia Gräf
Aus dem Englischen von Pociao und Roberto de Hollanda
Der Roman und das Hörbuch sind erhältlich beim Diogenes Verlag.
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