Von Ayòbámi Adébáyò
Der Debütroman „Bleib bei mir“ von Adébáyò schlug bei mir ein wie eine Bombe, ich war gefesselt von der Erzählkraft dieser jungen Autorin aus Nigeria. Und natürlich wollte ich ihren neuen Roman „Das Glück hat seine Zeit“ auch unbedingt lesen.
Auch hier lässt mich die wahnsinnige Erzählstimme von Adébáyò über die Seiten fliegen und trifft mich genau in mein Herz.
Ayòbámi Adébáyò schreibt in ihrem zweiten auf deutsch erschienen Roman wesentlich politischer und gesellschaftskritischer als noch in „Bleib bei mir“.
Mit ihren Figuren thematisiert sie sehr kontrastreich die krassen Unterschiede zwischen arm und reich in diesem zerrissenen Land, aber auch die Unterschiede zwischen Mann und Frau.
Spaltung zwischen Arm und Reich
Nigeria ist mit über 200 Millionen Einwohnern das bevölkerungsstärkste Land Afrikas und von großer, nicht konfliktfreier, kulturellen Vielfalt geprägt.
Adebayo schildert mit ihrem Figuren vor allem die finanziellen und gesellschaftlichen Unterschiede zwischen den Menschen. Die Familie von Wuraola ist sehr privilegiert und die junge Frau ist auf dem Weg in eine glänzende Zunkunft. Sie wird bald eine Ärztin sein und ihrem Verlobten, ebenfalls aus sehr privilegiertem Haus, heiraten.
Trotzdem ist Wuraola nicht frei. Strenge gesellschaftliche Normen, die für Frauen ihres Standes gelten und die Anforderungen ihrer Mutter Yeye engen sie ein.
Am anderen Ende der gesellschaftlichen Skala steht der 15-jährige Eniola. Seine Familie ist mittellos, seit sein Vater durch die Willkür des Staates seine Stelle als Lehrer verloren hat. Eine staatliche Absicherung oder soziales Netz gibt es nicht und arbeitlos zu werden ist ohne weitere berufliche Perspektive oft ein Grund für Selbstmord. Eniolas Vater fällt in eine Depression und ist nicht mehr in der Lage die Familie zu versorgen. Eine gute Schulbildung, die in Nigeria nur über kostenplichtig Privatschulen zu erhalten ist, rückt in weite Ferne.
Deutlich beschreibt Adébáyò die Auswirkungen der wirtschaftlichen Not auf die Familien und übt Kritik an einem System, das seine Hilfbedürftigsten seinem Schicksal überlässt. Staatliche Willkür und politische Korruption lässt das Land ausbluten.
Spaltung zwischen Frau und Mann
Die Auswirkungen von starren und traditionellen Geschlechterrollen thematisiert und kritisiert Adébáyò anhand ihrer starken weiblichen Figuren wie Wuraola und ihrer Mutter Yeye und ziehen sich durch den ganzen Roman.
Beide Familien lässt Adébáyò im Laufe der Handlung aufeinandertreffen und ich ahne früh: hier hat das Glück keine Zeit…
Adébáyò schafft es wieder mich mit ihrem großem Schreibtalent in den Bann ihres Romans zu ziehen. Thematisch hat mir „Bleib bei mir“ persönlich vielleicht besser gefallen, aber die stärkere politische Botschaft hat eindeutig „Das Glück hat seine Zeit“.
Habt ihr schon etwas von Ayòbámi Adébáyò gelesen und/oder interessiert ihr euch für Literatur aus Nigeria?
Vielen Dank an den Piper Verlag, dass er diese tolle Autorin im Programm hat und für das Rezensionsexemplar!
Übersetzt von Simone Jakob
P.S.: Kritik gibts von mir für Cover und Titel. Das Glück hat seine Zeit? Beides hätte mich in einem Buchladen nicht animiert, den Roman zur Hand zu nehmen und ruft bei mir die Assoziation von leichter Unterhaltungslektüre hervor, was auf diesen Roman sicher nicht zutrifft.
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