Der Roman „Durch das große Feuer“ stand dank vieler positiver #Bookstagram Rezensionen schon länger auf meiner Wunschliste. Durch ein Gewinnspiel ist er jetzt glücklicherweise in meinem Bücherregal und gleich in meinem Leseprogramm gelandet.
Viel wurde über den Inhalt schon geschrieben und auch dem Klappentext kannst du leicht entnehmen, dass es sich um eine queere Liebesgeschichte auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges handelt.
Die beiden jungen Protagonisten heißen Gaunt und Ellwood und melden sich direkt aus einem englischen Eliteinternat der Oberschicht für die Front. Beide sind schon länger intensiv ineinander verliebt, haben sich ihre gegenseitige Liebe aber noch nicht gestanden. Aus Gründen natürlich.
Homosexuelle körperlich Liebe wird zwar in dem männlichen Klima des Internates praktiziert, gilt aber nur als standesgemäßer Zeitvertreib und Ersatz für den heterosexuellen Verkehr nach der Heirat.
Ellwood hat schon länger realisiert, dass er sich auch emotional zu Männern hingezogen fühlt, während Gaunt noch im Widerstreit mit seinen Gefühlen ist.
Die Passagen, in denen Winn über die immense körperliche und emotionale Anziehungskraft und über die wild zärtlichen Begegnungen der beiden schreibt, gehören für ich zu den schönsten aus „Durch das große Feuer“.
Der Krieg reißt das Paar schnell auseinander und die Irrungen und Wirrungen der Kriegshandlungen berherrschen große Teile des Romans. Dabei liegt Winn viel Wert darauf, das Grauen des Gemetzel und dessen Sinnlosigkeit zu beschreiben. In den historischen Anmerkungen kann ich lesen, dass viele der beschriebenen Szenen auf realen Erfahrungsberichten und Schriftstücken über Fronterfahrungen stammen, unter anderem aus „In Stahlgewittern“ von Ernst Jünger (1920).
Achtung: drastische und explizite Schilderungen!
Da ich bereits ein bißchen Literatur zum Horror der Schützengräben gelesen habe, überrascht mich die Brutalität und die Willkür der Gewalt nicht. Auf jüngere Leser*innen können die Szenen sicher eine große und abschreckende Wirkung entfalten.
Weiterführend empfehlen kann ich hier das Sachbuch „Der Horror der frühen Chirurgie“, das trotz reißerisch klingenden Titels, sehr seriös und detailliert über Verletzungen des ersten Weltkrieges eingeht und auf deren Behandlung.
Weiter verarbeitet Winn gesellschaftskritische Themen, wie Klassenunterschiede und Rassismus, auf gut zugängliche Weise.
Die Autorin Alice Winn, sowie Übersetzerin Ursula Wulfekamp und Übersetzer Benjamin Mildner, sind jetzt ganz frisch für den Roman mit dem Preis der Jugendjury des Deutschen Jugendliteraturpreises ausgezeichnet.
Als ich das lese, bin ich kurz überrascht, denn mir war vor der Lektüre gar nicht bewusst, dass der Roman für Jugendliche konzipiert ist.
Jetzt habe ich den Roman gelesen und verstehe diese Einordnung besser.
Denn trotz der detailiert und explizit beschriebenen grauenhaften Kriegszenen bleibt die Grundstimmung positiv, die Protagonisten (fast) ungebrochen. Gaunt, Ellwood und ihre Freunde verlieren angesichts der Unmenschlichkeit des Krieges nicht ihre Menschlichkeit. Es gibt auch in den düstersten Stunden Kameradschaft, Liebe und Hoffnung. Eine wunderbare Botschaft, die sich einem defätistischen Zynismus entgegenstellt.
Die Stimmung und der Erzählton erinnert mich an die Serie „Downton Abbey“, die ich mir sehr, sehr gerne angeschaut habe. Dort sind selbst schwere Themen, wie die englische Klassenunterschiede der Zeit oder Queerfeindlichkeit, mit einer gewissen Leichtigkeit und Würde adressiert.
Ich hatte mit „Durch das große Feuer“ eine wunderbare Lesezeit, auch wenn ich den positiven Grundton des Romans auf Grund meines vielleicht altersbedingten Zynismus nicht mehr ganz teilen kann.
Der Roman erschien 2023 beim Eiseleverlag.
Aus dem Englischen von Ursula Wulfekamp und Benjamin Mildner
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