Es gibt Narrative in Romanen, nach denen ich immer wieder greife und die ich immer wieder neuartig und anders erzählt lesen möchte.
Ein Klassiker darunter ist folgender: Eine Frau, meist verheiratet, meist mit Kindern, ordnet sich den gesellschaftlichen Konventionen unter und hat ihr eigenes Leben und Beruf aufgegeben, um ganz für die Familie da zu sein. Oft wird sie vom Ehemann, den potentiellen Kinder und dem Rest der Gesellschaft schlecht behandelt und für selbstverständlich angesehen.
Im Laufe dieses Narratives geschieht dann meist irgendein Ereignis oder Erweckungsszenario, das unserer Protagonistin klar macht, dass sie ihr Leben ändern sollte.
Es gelingt ihr nicht immer.
Genau das ist auch eine zusammenfassende Beschreibung von „Eine kurze Begegnung“. Das Interessante daran ist, dass der Roman in Tokio, sprich in einem japanischen Setting spielt. Die Autorin Emily Itami ist selbst in Tokio aufgewachsen und hat mit „Eine kurze Begegnung“ ihren Debütroman veröffentlicht.
Ihre Hauptfigur und Ich-Erzählerin heißt Mizuki, hat einen Ehemann und zwei Kinder, hat ihren Beruf aufgegeben und ist seitdem als Familienmanagerin tätig.
Gesellschaftliche Konventionen als Gefängnis?
“Ich befinde mich in einem Käfig ohne Gitterstäbe, und ich schreie, aber niemand kann mich hören. Ich befinde mich noch nicht einmal im mittleren Alter, und er hat mich in den Hintergrund treten lassen.”
Das oben erwähnte Erweckungsszenario gestaltet Itami in Form eines anderen Mannes, mit dem Mizuki langsam zarte Bande knüpft.
Das finde ich aus feministischer Sicht natürlich äußerst fragwürdig. Dennoch überrascht mich der Roman mit einigen direkt ausformulierten gesellschaftskritischen Untertönen, die sich nicht nur auf die Nachteile starrere Geschlechterrollen, sondern auch auf die japanische Leistungsgesellschaft generell beziehen.
Die Handlung an sich kann mich trotz des von mir bevorzugten Narratives in seiner Ausarbeitung nicht überzeugen, vor allem die Liebesgeschichte und der Schluss können mich nicht wirklich zufrieden stellen.
Dennoch, wenn ich meinen Ärger darüber auf Seite schiebe, machen das spannende Setting, der lockere und teilweise überraschend direkte Schreibstil und die angedeutete Gesellschaftskritik den Roman zu einer nette und leichten Lektüre.
Die gefühlt authentischen Einblicke in das Leben der modernen, japanischen Upper Class haben mir gut gefallen. Sie werten den Roman für mich zur einem lesenswerten Buch auf.
Erschienen beim Blessing Verlag (Penguin Randomhouse).
Aus dem Englischen von Melike Karamustafa
Vielen liebe Dank an das Team vom Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
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