„Die Zeit, in der dieses Buch entstanden ist, war eine besonders tiefe Zeit.“ schreibt die Autorin Laura Dürrschmidt am Ende von „Es gibt keine Wale im Wilmersee“ in ihrer sehr persönlichen Danksagung.
Das merke ich dem Roman sofort an. Er liest sich sehr persönlich und authentisch und ist emotional sehr tiefgründig.
Dürrschmidts großes Thema ist der Verlust. Der Verlust von geliebten Menschen, der Verlust von Zukunft und der Verlust von Identität.
Der Roman, der gänzlich aus der Perspektive von Dürrschmidts Ich-Erzählerin geschrieben ist, beginnt mit einem schrecklichen Unfall.
Als Kinder sind die Erzählerin und ihre Schwester Alice auf dem zugefrorenem Wilmersee eingebrochen und nur eine Schwester hat es lebend wieder ans Ufer geschafft.
Dieser Verlust und die Trauer zerstört die ganze Familie und legt eine große Sprachlosigkeit über die Zurückgebliebenen.
„Sie nannte mich nicht mehr beim Namen. Ich hatte ja auch keinen mehr. Der Name lag am Grund des Wilmersees, zusammen mit allem, was Alice gewesen war.“
Die Jahre vergehen und die Eltern halten es in dem stillen, traurigen Haus nicht mehr aus. Die Ehe zerbricht und sowohl Mutter und Vater ziehen aus.
Zurück bleibt die Erzählerin und ihre zwei Geschwister.
Sie leben zurückgelassen in dem stillen und dunklen Haus, in dem die Sprachlosigkeit herrscht und es keine Freude gibt.
Ein Ausweg aus der Trauer?
Bis eines Tages eine junge Frau, Jora, diesen Kokon durchbricht und bei der Erzählerin ambivalente Gefühle hervorruft…wird es Zeit, die Vergangenheit loszulassen?
Für mich hat dieser melancholische und atmosphärische Roman gerade gut in meine Stimmung gepasst, jetzt, wo draußen alles trist und grau aussieht.
Geschickt lässt Dürrschmidt die Erzählzeiten aus Gegenwart und Vergangenheit verschwimmen, was die verlorene Stimmung unterstreicht. Nur das Haus und der dunkle See bleiben scharf als Konstante, aus dem die Figuren allmählich verschwinden.
Allerdings muss ich sagen, dass mir die Stimmung und die wunderschöne und gehaltvolle Sprache am besten gefallen haben und mir ansonsten die Handlung und die psychologische Ausarbeitung der Figuren fast ein wenig zu dünn angelegt waren.
Ich habe diesen poetischen und melancholischen Roman sehr gerne gelesen, dessen Cover so wunderbar die beschriebene Stimmung widerspiegelt und auf den mensch sich ganz einlassen kann.
Ich freue mich auf weitere Arbeiten dieser starken jungen Autorin!
„Es gibt keine Wale im Wilmersee“ ist erschienen 2021 beim Ecco Verlag. Ich hatte Glück und habe ihn bei der Adventsauslosung des Verlags gewonnen!
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