Mit „Fliehkraft“ ist nach drei Romanen der erste Erzählband von Britta Röder erschienen und es ist für mich das erste Buch überhaupt, das ich von der Schriftstellerin lese.
Der Band enthält sieben Erzählungen, die sich thematisch alle mit Menschen im Widerstreit zwischen Aufbruch und Alltag beschäftigen.
Das Besondere an den Erzählungen liegt nicht in abgefahrenen und extremen Geschichten, sondern in den Figuren und den Lebenssituationen, die wir alle kennen.
Sie heißen Ingrid, Gert, Hartmut oder Elvira. Es ist das schweigsame ältere Ehepaar im Restaurant, die Familie auf dem Campingplatz, die ständig über Kleinigkeiten streitet oder auch die traurige, einsame Frau am Bahnhof.
Ich glaube sogar, mein Lieblingsarbeitskollege war die Vorlage für Gert.
“Denn Gerts Stärken lagen von Natur aus im Stillen: Fleiß, Anpassungsfähigkeit, Ausdauer, eine schnelle Auffassungsgabe, Höflichkeit, Bescheidenheit. All das machte ihn zum perfekten Untergebenen”
Bestimmt würde auch dir die eine oder andere Figur aus den Erzählungen bekannt vorkommen.
Und Röders Figuren stecken fest: in langjährigen, lieblosen Ehen, in der Familie, aber auch in den eigenen Ängsten und Komplexen. In den Erzählungen geht es um den Moment der Veränderung, um den Mut zum Aufbruch und zum Wagnis.
Tatsächlich ist meine Lieblingsgeschichte „Sommer 1981“ , in der ein kindliches Ich mit seiner Familie und dem Wohnwagen in einen wenig harmonischen Urlaub fährt. Es beobachtet, wie der Vater und die Mutter die ganze Zeit streiten. Es ist heiß, das Geld ist knapp und vieles geht schief. Trotzdem liegt eine nostalgische Stimmung über der Erzählung und in einem kurzen, ebenso zauberhaften wie melancholischen Moment, entdeckt das Ich eine ganz neue unbekannte Seite an seinem Vater.
Wunderbar leichte Compilation
Die Erzählungen lesen sich alle federleicht und hindernisfrei und eignen sich meiner Meinung perfekt als Urlaubslektüre oder auch für abends, wenn es gerade vielleicht nicht die schwere und belastende Trauma-Porn Lektüre sein soll.
Mir persönlich hätten die Erzählungen gerne fast noch etwas konzentrierter und reduzierter sein können. Denn besonders die Andeutungen die Röder in den kürzeren Geschichten wie in „Hochzeitstag“ in der Schwebe hält, luden mich zum Weiterdenken ein, was ich gerade bei kurzen Texten meistens gerne mag.
Alle Erzählungen in „Fliehkraft“ sind in Röders eigenem, gut zugänglichen Schreibstil verfasst, und haben alle einen unterschiedlichen Charakter und eine andere Grundstimmung. Das macht den Erzählband zu einer wunderbar abwechslungsreichen Zusammenstellung.
Und zu einer Leseempfehlung, wenn du gerne von den entscheidenden Momenten und Begegnungen im Alltag liest oder von großen Veränderungen, die manchmal in in einem kleinen Detail liegen können.
Ein großes Dankeschön an den Frankfurter Indieverlag edition federleicht für das Rezensionsexemplar. Und natürlich Danke an Britta Röder, dass du mir dein Buch anvertraut hast und ganz viel Erfolg für deine weitere Schreibtätigkeit!
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