Halbe Portion von Elisabeth Pape

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Halbe Portion Elisabeth Pape Rezension

Elisabeth Pape studierte Theater- und Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin und anschließend Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Sie hat einige Theaterstücke geschrieben, die aufgeführt und preisgekrönt wurden. Pape hat somit beträchtliche Erfahrung im Schreiben und legt nun mit „Halbe Portion“ ihr, wie ich finde, großartiges Romandebüt vor.

Die Erzählerin ist einem Teufelskreis gefangen, immer wieder verfängt sie sich in den gleichen Gedankenkarussells, was ihr zwar bewusst ist, aus dem sie sich allerdings nicht befreien kann.

Aufgewachsen ist die junge Frau Ende Zwanzig bei einer alleinerziehenden Mutter, die selbst große Schwierigkeiten mit ihrem Körperbild hat und (vermutlich) essgestört ist. Schon als Baby bekommt die Erzählerin wegen der Angst der Mutter, dass das Kind zu dick wird, nicht genug Nahrung. Und so ist ihre ganze Kindheit von Mangel und einem ungesunden Verhältnis zur Nahrungsaufnahme geprägt. In ihrem Kopf wird die Gleichung ihrer Mutter „dick ist gleich wertlos und faul“ ganz tief verankert. Im Leben der Erzählerin herrschte als Kind nicht nur ein Mangel an Essen, sondern auch an Geld, gesellschaftlicher Teilhabe und der Liebe ihrer Mutter.

Jetzt als Erwachsene sehe ich in der jungen Frau eine durch ihre Kindheit schwer geschädigten Menschen, der kämpft, um sich von seiner Prägung zu befreien, aber angesichts dieser immensen Aufgabe immer wieder scheitert.

Die prekären Verhältnisse und die Lieblosigkeit haben sich tief in die Erzählerin eingegraben und halten sie fest in ihrem Griff.

Worin investiert unsere Gesellschaft?

Dabei zeigt Pape mit ihrer zerbrechlichen Protagonistin, dass es nicht nur das individuelle Versagen der Mutter ist, das das Leben der Erzählerin so stark vorbelastet hat. Es sind auch die strukturellen Mechanismen unserer Klassengesellschaft, die einen finanziellen und gesellschaftlichen Aufstieg durch Bildung extrem erschweren und gerade die Hilfsbedürftigen in ihrer Situation allein lassen. 

“Wahnsinnig viel Geld. Wenn nur ein Bruchteil davon mich bereits in meiner Kindheit erreicht hätte, wer weiß, wie es mir dann jetzt gehen würde.”

Die Erzählerin hat studiert, verdient ihren Lebensunterhalt mit einem Job im Kino und steht jetzt vor der Herausforderung, sich einen festen Arbeitsplatz zu suchen. Sie ist damit komplett auf sich allein gestellt und ziemlich lost. Eigentlich weiß sie gar nicht, wer sie ist, was sie machen könnte und wie ihre Zukunft aussehen könnte. 

Mir ging dieser Roman sehr nah, weil Pape die Gedankenwelt ihrer Figur unglaublich nachvollziehbar und nachfühlbar beschreibt. Ich befinde mich heute glücklicherweise mittlerweile an einem anderen Punkt in meinem Leben, aber mit manchen Gedanken der Erzählerin hätte mein früheres Ich sich durchaus identifizieren können.

„Aber seien wir mal ehrlich: Wen interessieren denn in unserer Gesellschaft meine Gefühle?”

Auch literarisch finde ich Papes Roman richtig toll und genau in der perfekten Mischung aus Anspruch und Authentizität. Gerade der Schluss hat mir besonders gut gefallen, da er meiner Meinung nach verschiedene Lesarten zulässt und keinen unrealistischen Lösungsansatz anbietet.

Von mir definitiv eine dicke Leseempfehlung für diesen tollen Debütroman!

  • Halbe Portion Elisabeth Pape Klappentext
  • Elisabeth Pape

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