Hidden Valley Road von Robert Kolker

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Hidden Valley Road Robert Kolker Rezension

Im Kopf einer amerikanischen Familie

Schau dir das Cover von „Hidden Valley Road“ an. Siehst du die vielen Kinder? Ja, das sind alles die Kinder von Mimi und Don Galvin. Und Mimi, ganz oben auf der Treppe, ist wieder sichtbar schwanger.

Zwischen den Jahren 1945 und 1965 bekam das Ehepaar Galvin zwölf (!!) Kinder: zehn Jungen und zwei Mädchen.

Sicherlich hatten die beiden den Traum von einer glücklichen Großfamilie. 

Es wurde zu einem Alptraum. Und die Familie zu einem Ort für großes Unglück.

Eine so große Familie ist fraglos eine unglaubliche Verantwortung und Herausforderung, die schnell im Wahnsinn enden kann. Und Wahnsinn ist hier wortwörtlich zu nehmen.

Sechs der zwölf Kinder erkranken nach und nach an Schizophrenie in Kombination mit anderen schweren psychischen Erkrankungen. Kolker beschreibt, wie erst der älteste Sohn Donald erkrankt, sich aber schon früh Anzeichen bei den anderen Jungen zeigen. Die Familie entgleist komplett. Eskalationen, Gewalt und sexueller Missbrauch unter den Geschwistern sind jahrelang an der Tagesordnung. Besonders, die beiden jüngsten Schwestern Lindsay und Margaret leiden schwer darunter.

Die Mutter Mimi und der Vater Don sind mit der Situation, den Erkrankungen und den Entgleisungen in ihrer Familie komplett überfordert.

Kolker beschreibt eine Zeit, in der psychische Erkrankungen wie Schizophrenie noch wenig erforscht und stark stigmatisiert sind. Eine wirksame Behandlung, oder gar Heilung, liegt in weiter Ferne.

Auch die Söhne der Familie Galvin werden zeitweise in geschlossenen Einrichtungen untergebracht und mit starken Neuroleptika behandelt.

Veranlagung oder Umwelt als Ursache von Schizophrenie?

Kolker begleitet in seinem Buch die Familie über Jahrzehnte und skizziert die allmächlich Entwicklung in der Rezeption von Schizophrenie. Er beschreibt die verschiedenen Diskussionen, die sich bei der Frage nach dem Ursprung der Krankheit in ein Genetik-Lager und ein Umwelt-Lager aufteilt, bis es zur Anerkennung einer multifaktoriellen Verschmelzung aus beiden Theorien kommt.

Auch dank Familien und Betroffenen wie den Galvins weiß die Forschung heute mehr über die genetischen Zusammenhänge und die mögliche Enstehungsgeschichte der Krankheit. 

Der preisgekrönte Journalist und Schriftsteller Kolker sprach für seinen New York Times-Bestseller mit den noch lebenden Mitgliedern der Familie Galvin und hatte somit direkten Zugang zu ihren Erinnerung. Auch mit den im Buch erwähnten Mediziner*innen und Forscher*innen stand er teilweise in Kontakt. Das Sachbuch vermittelt so eine guten Einblick über die Geschichte und die Auswirkungen von Schizophrenie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den USA.

Ich bin sehr fasziniert von der Geschichte der Familie Galvin und vom Überlebensmut und Pragmatismus der verbliebenen Mitglieder.

Neben meinen großem thematischen Interesse muss ich allerdings große Abzüge beim Schreibstil machen. Ich finde die Art, wie Kolker erzählt und schreibt, zu einfach und manchmal zu platt. Ich vermisse an vielen Stellen eine psychologische Einordnungen, die über das reine Nacherzählen und die Wiedergabe von Dialogen hinausgeht. 

„Wir können unser gesamtes Leben in einer Blase verbringen und uns dabei wohlfühlen. Es kann andere Realitäten geben, die wir nicht anerkennen mögen, die aber dennoch ebenso real sind wie unsere.“

  • Robert Kolker
  • Hidden Valley Road Robert Kolker Klappentext

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