Nichts auf dem Klappentext „Ihn ihrem Haus“ hat mich auf das vorbereitet, was in diesem Roman steckt. Nichts hat angedeutet, in welche Richtung sich diese Wahnsinnsgeschichte entwickeln wird.
Und ich werde es in dieser Rezension auch nicht tun. Du solltest diesen wunderbaren und großartigen Roman komplett unvoreingenommen und selbständig entdecken, damit er seine volle Wirkung entfaltet. Kein Wunder, dass die niederländische Autorin Yael van der Wouden damit auf der Shortlist des Booker Prize 2024 gelandet ist.
Und auch ich weiß, dass er 2025 unter meinen Highlight landen wird.
Ihren Debütroman lässt van der Wouden ganz in der Vergangenheit spielen, in den ländlichen Niederlande im Jahr 1961, was sich auch im sich nur langsam entfaltenden Schreibstil widerspiegelt.
Ich lerne in den ersten Kapiteln die Protagonistin Isabel kennen, eine alleinstehende Frau, die im Haus ihrer verstorbenen Mutter lebt. Emotional wirkt sie verhärtet und distanziert, das Verhältnis zu ihren beiden Brüdern ist nicht ohne Spannungen.
Das Haus gehört eigentlich ihrem älteren Bruder Louis, sie darf aber solange darin wohnen bis er sesshaft werden will und eine Familie gründet.
Isabel macht sich darüber aber nicht wirklich Sorgen. Sie kennt ihren Bruder als Lebemann mit vielen Frauenbekanntschaften, der sich nicht wirklich festlegen will, obwohl jede aktuelle Flamme die Frau fürs Leben zu sein scheint.
Als Louis Isabel dann seine neueste Freundin Eva vorstellt, ist sie von der oberflächlich wirkenden Blondine, wenig beeindruckt. Ganz und gar nicht begeistert ist sie allerdings, als ihr Bruder Eva einfach für ein paar Wochen bei Isabel einquartiert, weil er auf eine Geschäftsreise muss.
Isabel schätz die Einsamkeit und Regelmäßigkeit ihres Alltags in ihrem Haus und legt keinen Wert auf Gesellschaft.
Und tatsächlich verstehen sich die beiden unterschiedlichen Frauen nur schlecht und es kommt zu Reibungen.
Doch nicht nur die zwischenmenschlichen Komplikationen machen Isabel in ihrem Haus zu schaffen, auch scheinen Gegenstände zu verschwinden und Eva scheint ihre ganz eigenen Agenda zu haben…
Schlummern in ihrem Haus Familiengeheimnisse?
Mit dieser kurzen Exposition habe ich jetzt auf keinen Fall zu viel verraten und nur das Einstiegssetting der Geschichte skizziert.
Yael van der Wouden überrascht mich mit der weiteren Entwicklung des Roman und greift nach meinem Herz und meinem Hirn, dass sich bald nicht mehr von der Geschichte lösen kann.
Die sinnlichen Beschreibungen von Sommerhitze, Gerüchen, Haptik und Körperlichkeiten sind quasi aus den Seiten heraus spürbar. Die persönliche Entwicklung der Protagonistinnen begeistert mich und die spätere Einbettung in einen geschichtlichen Kontext stellt auch heute noch relevante und aktuelle Fragen.
Nachdem ich mit meinen zwei ersten Romanen des nagelneuen Gutkind Verlags keine Glücksgriffe gemacht hatte, war dieser gleichermaßen spannende wie emotional mitreißende Roman ein Volltreffer!
Definitiv eine absolute Leseempfehlung!
“Was war schon Glück? Was war das Glück wert, wenn es einen Krater hinterließ, der dreimal so groß war?”
Vielen lieben Dank für die Bereitstellung des gewünschten Rezensionsexemplars an den Gutkind Verlag. Danke und viel Erfolg an Yael van der Wouden für diesen Roman!
Übersetzt von Stefanie Ochel
Eine weitaus kritischere, nicht ganz spoilerfreie Rezension findest du auf Marinas Literatur Blog literaturleuchtet.
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