„Anouk Hagemann zeigt eine Amour fou, zeigt Gewalt, Leidenschaft, Versessenheit. Zeigt Liebe. Und deren dunkle Seite. Überzeugend, ungeschönt und mitreißend.“
Also dieser Klappentext und das traumhaft schöne Buchcover von „Mein dunkles Licht“ haben mich absolut angefixt.
Aber jetzt wird’s für mich richtig unangenehm, denn dieser Roman hat mir überhaupt nicht gefallen.
Und zwar so wenig, dass er diese Jahr neben „Entweder/Oder“ von Elif Batumann und „Pompeji“ von Eugen Ruge auf der kurzen Liste meiner Low Lights landen wird. Gut, es gibt schlimmere Gesellschaft.
Hagemann erzählt in ihrem Debütroman die Geschichte einer toxischen Beziehung im provinziellen Amerika vor dem digitalen Zeitalter. Wobei Setting und Erzählzeit eigentlich nicht relevant sind, denn beide werden so gut wie gar nicht beschrieben oder haben keinen Einfluss auf die Handlung.
Die Ich-Erzählerin und ihr männlicher toxischer Gegenpart kennen sich seit frühen Kindertagen. Während sie still, schüchtern und strebsam ist und aus behütetem Elternhaus kommt, ist er bereits als Kind wild, auffällig und gewaltätig.
Doch beide fühlen sich zueinander hingezogen und verbringen ihre Zeit miteinander. Wobei die Rollen von Anfang an klar verteilt sind: Er ist der bad guy, der seinen „reinen Engel“ beschützt.
Schon hier wird mir aus Hagemanns Text nicht klar, was die beiden verbindet und zueinander zieht. Auch nicht, warum er dieses Frauenbild und diese Wahnideen entwickelt.
ich kann einfach nicht folgen
Im weiteren Verlauf von „Mein dunkles Licht“ verstärkt sich dieses Missverständnis. Die beiden werden älter und ER gerät völlig auf die schiefe Bahn, dennoch hält SIE weiter den Kontakt. Ihre „Unterhaltungen“ sind unerträglich.
Er ist zerstörerisch, er ist besitzergreifend, er hat ein unsägliches Frauenbild und er ist von der satanischen Glaubenswelt von Gut und Bösen, Engel und Teufel überzeugt.
Hagemann bedient sich sogar eines Psychologen, der als Side-Kick der Erzählerin helfen darf, ihre inneren Beweggründe zu erforschen, aber in meinen Augen bewegen sich diese Gespräche auf dem Niveau von Küchenpsychologie.
„Er steht für Abenteuer, einen Kontrast zu deinem alltäglichen Leben. Vielleicht sogar eine Flucht vor der Realität. Das kann faszinierend wirken. Du willst seinen Lebensstil nicht annehmen, doch er fasziniert dich, nicht wahr?“
Zudem nimmt im Roman und in der ganze gemeinsame Geschichte die Jungfräulichkeit von IHR die zentrale Rolle ein, während ER seine natürlichen sexuellen Triebe natürlich mit zahlreichen „Schlampen“ befriedigt. Leider geht Hagemann nicht auf mögliche Ursachen oder strukturelle Hintergründe dieses misogynen Weltbildes ein oder deutet sie auch nur an.
Und immer wenn ich denke, schlimmer gehts nimmer, setzt die Geschichte noch einen drauf. Mir wird während der ganzen Lektüre einfach nicht klar, WARUM die Erzählerin auf diesen Typen abfährt.
Ich finde für mich keine plausiblen oder tiefgründige Beschreibungen der Mechanismen und Ursachen von toxischen Beziehungen oder Misogynie. Sicher gibt es auf solche komplexen Fragen niemals eine befriedigende, einfache Antwort, aber eigentlich möchte ich in einem Roman mit diesem Thema wenigstens Andeutungen einer gesellschaftskritischen Exploration dazu lesen.
Irgendwie läuft es mir zu sehr darauf hinaus, dass bad guys einfach hot und aufregend sind? Sorry, das reicht mir nicht.
Der Schreibstil ist eingängig und ohne literarische Finessen, was ich in diesem Fall allerdings begrüße, so kann ich den Roman in einer einzigen, durchgängigen Leseeinheit gut wegschmökern.
Als Relativierung meiner kritischen Besprechung kann ich allerdings anführen, dass „Mein dunkles Licht“ Leser*innen von Dark Romance, Young Adult und Co vielleicht besser gefallen könnte. Aber selbst in dieser Leser*innnengruppe könnte das vorhersehbare Ende und das plumbe Fazit für Ernüchterung sorgen.
Ein großes Dankeschön geht an den Riverfield Verlag für das sehr gewünschte Rezensionsexemplar! Das Cover finde ich nich wie vor einfach wunderbar gelungen und ich hoffe, es wird noch andere geneigtere Leserschaft ansprechen.
Wenn du denn Schweizer Indieverlag Riverfield noch nicht kennst, lohnt sich auf jeden Fall ein Besuch, den er hat einige vielversprechend aussehende Titel in seinem Programm!
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