Der Schluss von „Muna“ haut noch mal richtig rein. Und plötzlich ist es zu Ende. Aber das ist es nur für mich. Nur das Ende des Romans.
Nur das Ende der Zeit, die ich Muna begleitet habe und das ist nur die (angenommen) Hälfte ihres Lebens.
Ratlos und mit Frage bleibe ich zurück.
Die in Ungarn geborene Schriftstellerin Terézia Mora hat mit „Muna“ ein detailliertes Psychogramm einer Frau und ihrer Beziehungen geschrieben.
Muna wächst in einer Kleinstadt in der DDR auf und lernt als 17-jährige kurz von dem Abitur den älteren Magnus kennen. Er wird ihre große Liebe und Obsession werden. Doch bereits bei diesem ersten kurzen Zusammenkommen zeigt sich die künftige Beziehungsdynamik. Magnus will sie nicht und behandelt sie schlecht. Er ghostet sie bereits nach der ersten und einzigen gemeinsamen Nacht.
Zufällig treffen sich beide Jahre später wieder und die ungute Dynamik kommt erneut in Fahrt. Sie lassen die Beziehung wieder aufleben und ziehen zeitweise sogar zusammen. Nein, diese Beschreibung erweckt einen falschen Eindruck. Das ist keine Beziehung. Muna macht sich so klein, dass sich irgendwo in eine Zwischenraum von Magnus Leben passt. Aber das reicht noch nicht, sie stört ihn, sie nervt ihn, er misshandelt sie verbal und bald körperlich massiv.
Mora legt die Figur „Muna“ als selbstbewusste und starke Frau an, die ziemlich genau weiß, was sie will und es sich entsprechend erarbeiten kann. Die an der Uni ein Genderneztwerk aufbaut und zu Hause verprügelt wird. Sie ist keine Frau mit naiven Illusionen.
“Der Schlüssel ist, so zu tun, als wärst du eine von ihm unabhängige Frau mit einem eigenen Leben, einer eigenen Laufbahn. Unkompliziert sein und gut aussehen. Nicht zu viel Quatsch erzählen, nicht klagen und nicht zu viel fragen.”
Umso größer das Rätsel, warum diese eigenständige Frau ihre ganze Energie dafür einsetzt, einem Mann nahe zu sein, der nicht deutlicher signalisieren könnte: Ich will dich nicht.
Doch das ist genau die große Kunst und das Faszinierende in Moras Roman. Er gibt keine einfachen Antworten.
Auf manche Fragen gibt es keine Antwort
Keine Antwort auf die Frage: Warum hält Muna an dieser Beziehung, an diesem Mann, fest.
Mora konzentriert sich ganz auf die Innenperspektive Munas, die von ihren verschiedenen Freund*innen widergespiegelt oder komplementiert wird. Ich finde es stilistisch sehr raffiniert gemacht, wenn ich in Klammern oder durchgestrichen, die eigentlichen Gedanken Munas lesen kann und das bringt mich sehr nah an die Figur. Das ist in den gewalttätigen Szenen sehr beklemmend und Munas Rechtfertigungen für Magnus Gewalt sind schwer erträglich. Persönlich sehr berührt hat mich Munas heimlicher Kinderwunsch, obwohl Magnus klar gemacht hat, dass er auf keinen Fall und niemals Kinder möchte und peinlich auf die Verhütung achtet.
Obwohl mich „Muna“ in seiner Komplexität sehr beeindruckt hat, werde ich den Roman nicht zu meinen Highlight zählen, denn für meinen ganz persönlichen und proletisch sozialisierten Geschmack ist der Roman literarisch zu ambitioniert und in seiner Länge zu ausgewalzt.
Lesenswert ist und war „Muna“ für mich und der Roman hat meinen Lesehorizont erweitert, was für mich immer ein mögliches Kriterium für ein gutes Buch ist.
Vielen lieben Dank an das Team des Bloggerportals und den Luchterhand Verlag für das Rezensionsexemplar und Gratulation an Terézia Mora zur Platzierung auf der Shortlist des deutschen Buchpreis 2023!

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