Das südostasische Malaysia ist seit 1963 bis heute eine unabhängige, konstitutionelle Wahlmonarchie. Das war nicht immer so. Die Halbinsel war viele Jahre britische Kronkolonie und stand unter wirtschaftlicher und politischer Kontrolle des Empires. Während des zweiten Weltkriegs wurde Malaya in den Jahre 1941-45 von Japan besetzt.
Genau diese Zeit thematisiert Chan in ihrem international bereits viel gelobten Roman „Nach uns der Sturm, inspiriert durch die Geschichte ihrer eigenen Familie.
Chan erzählt auf zwei Zeitebenen von der malaiischen Familie Alcantara.
In einem Erzählstrang, Malaya ist britisch besetzt, verfällt die junge Mutter Cecily dem charismatischen Japaner und General Fujiwara und verschiebt ideologisch verblendet ihre moralischen Grenzen.
Die zweite Erzählebene spielt ein paar Jahre später direkt während der Zeit der japanischen Besatzung und zeigt sowohl die Folgen von Cecilys Entscheidungen als auch eine Gesellschaft, die durch eine gewaltsames Supprimat gespalten ist.
Rassismus und Klassismus beeinflussen alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens und richtet sich gegen die Malaien.
Cecily hat mittlerweile drei Kinder: Abel, Jujube und Jasmin, die jeweils ihre eigene Geschichten haben.
Besonders nahe geht mir Abels Geschichte, der in ein japanisches Arbeitslager verschleppt wird und dort schlimme Gewalt erlebt und ausübt.
“Nach uns der Sturm“ – Handlungen haben Folgen
Die Blickwinkel – und Zeitenwechsel bringen viel Dynamik in den Roman und lasen mich über die Seiten fliegen.
Gerade im letzten Drittel, kurz vor der Kapitulation Japans, nimmt die Handlung rasant an Fahrt auf und verwandelt den Roman in einen wahren Pageturner.
Wie bei vielen Familiengeschichten gehen die vielen Perspektiven zu Lasten der psychologischen Tiefe. So bleibt die verstecktere Handlungsmotivation der Figuren manchmal etwas oberflächlich und flach, verstärkt durch die etwas distanzierte auktoriale Erzählweise. Auch literarisch würde ich Chans Stil mehr als eingängig als als ausgefallen beschreiben.
Der Schluss allerdings besticht durch eine Tragik und Dramatik, die wahrscheinlich niemanden kaltlässt. Es war ein gute Entscheidung von Chan, den Roman nur mit wenigen versöhnlichen Elementen enden zu lassen, um so den vielen traurigen und vermeidbaren Leid jener Zeit Rechnung zu tragen.
Entfernt erinnerte mich gerade Abels Geschichte an den Film „Im Reich der Sonne“. Und auch wenn ich den Roman vielleicht jetzt nicht zu meinen diesjährigen Highlights zählen würde, habe ich ihn gerne gelesen und ich habe mehr über diese mir unbekannte Region und ihre Geschichte gelernt.
Grundsätzlich habe ich ein Faible für die wunderschönen Hardcover aus dem Ecco Verlag. Ich liebe dessen Konzept, sich auf außergewöhnliche Schriftstellerinnen jeglicher Nationalität zu fokussieren.
Auch „Nach uns der Sturm“ passt dazu wieder hervorragend. Ich bedanke mich sehr für das Rezensionsexemplar und wünsche Vanessa Chan viel Erfolg!
Aus dem amerikanischen Englisch von Brigitte Jakobeit
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