Ich fürchte, ich würde den Gesang einer Nachtigall nicht erkennen, wenn ich ihn hören würde. Dafür erkannte ich in “Nachtigallentage” einen guten Roman für mich!
Er bot mir die gelungene Mischung aus subtiler feministischer Gesellschaftskritik und einem Spannungsroman.
Sigune ist seit sieben Jahren mit Andreas verheiratet, die beiden haben zwei kleine Kinder. Wobei… eigentlich hat nur Sigune die beiden Kinder, Andreas ist außen vor und bringt sich als Vater wenig ein. Schließlich wollte Sigune hauptsächlich die Kinder, also soll sie sich auch kümmern.
Die Schilderungen der auszehrenden mental load und der Tage mit Kleinkindern, die gleichzeitig unendlich langweilig und unendlich anstrengend sein können, empfinde ich als spürbar authentisch.
“Kraftlos fühlt sie sich. Sigunes Fass ist bis obenhin voll, und sie passt sorgsam auf, dass ja kein Tropfen mehr hinzukommt. Als Schutz stülpt sie einen Deckel darüber, damit das Fass nur ja nicht überläuft. Dieser Deckel besteht aus Verantwortungsbewusstsein, Wohlerzogenheit, Selbstbeherrschung, Mobilisierung von Reserven, guten, preußisch genannten Tugenden, die sie in ihrem Bremer Elternhaus mitbekommen hat.”
On top verdient Sigune das Geld für die Familie, schließlich ist sie emanzipiert und Andreas hat nur Gelegenheitsjobs. Trotzdem ist er beruflich oft unterwegs und Sigune ist mit den Kindern alleine.
Ein richtiger Jackpot von einem Ehemannes würde ich sagen, vor allem da nie wirklich Liebe im Spiel war.
Aber so läuft es eben in Sigunes Welt, wo Kinder einen Vater und Töchter einen Ehemann brauchen.
Natürlich wächst da der unterdrückte Frust und die unausgesprochene weibliche Wut ins Unermessliche und bald schon hat Sigune die wortwörtliche Leiche im Keller.
Das eigentlich Spannende an dem Roman neben der eigentlichen Handlung ist die Erzählform an sich. Denn ich lausche einem Geständnis, bei dem mir lange nicht klar ist, a wen es gerichtet ist. Und die Geständige ist eine äußerst unzuverlässige Erzählerin, die mutmaßlich von eigenen Interessen geleitet ist.
Schiffner spannt den Spannungsbogen äußerst gekonnt und gegen Ende hin, als der Erzählerin zunehmend die Fäden aus den Hand gleiten, möchte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen.
Die feministischen Untertöne sind eher subtil gehalten und werden vom sehnsuchtsvollen Motiv des Nachtigallengesangs begleitet, der Sigunes Wunsch nach Erfüllung und echter Hingabe unterstreicht.
Ein Lesens- und empfehlenswerter Spannungsroman von Sabine Schiffner, der beim berliner Indieverlag Quintus Verlag erschienen ist und beim großen Feuilleton unter dem Radar fliegt, aber deswegen nicht unterschätzt werden sollte!
„NACHTIGALLENTAGE“, gespottet beim Nacht und Tag Blog von Nicole Seifert.
P.S. Spannenderweise hat meine Recherche ergeben, dass auch schon eine Figur in Schiffners ersten Roman “Kindbettfieber” Sigune heißt. Eine interessante Parallele.
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