Der österreichische Indieverlag Leykam ist ein Garant für hochwertige und außergewöhnliche Literatur für Lesende, die sich gerne mal abseits des Mainstreams bewegen. Auch mit “Perfekte Menschen” von Andrea Grill hat er einen Roman verlegt, der meiner Meinung nach nicht den Massengeschmack bedienen wird und das soll und muss er auch nicht.
Grill, die 2019 mit “Cherubino” für den Buchpreis nominiert war, hat für ihren neuesten Roman den albanischen Mythos von Ballaban Badera in ein dystopisches Zukunftsmärchen verwandelt.
In ihrer Zukunft hat der Mensch die Erde vollständig seinem Willen unterworfen. Oder glaubt er das nur? Unsere Abhängigkeit von technischen und digitalen Geräten ist in dieser Zukunft, die Grill entwirft, allumfassend und teilweise Ersatz für zwischenmenschliche Beziehungen geworden.
Eine Sache ist allerdings in Gegenwart und Zukunft gleich: Eltern lieben ihre Kinder und Kinder brauchen ihre Eltern.
Deswegen ist die Angst in der albanischen Region von Mat groß, denn dort werden viele Jungen ab einem gewissen Alter von Milizen entführt und in voll überwachten Camps einer Gehirnwäsche unterzogen. Vorgeblich sollen sie dort Kämpfer und perfekte Menschen werden.
Perfekte Menschen?
Das passiert auch mit dem 8-jährigen Michael, dem Protagonisten in Grills Erzählung. Er wird seinen Eltern entrissen und eines der Camps gebracht. Seine Technikgeräte, die Nabelschnur zu seinen Eltern, werden ihm weggenommen.
Unter dem Drill des Lagers verliert er allmählich die Erinnerung an seine Herkunft. Doch ganz vergißt der seine Mutter und seinen Vater nie.
Je älter er wird, desto mehr fallen ihm Unstimmigkeiten in den Legitimationserzählungen des Camps auf…
“Ihm war schlicht klar geworden, dass jeder Einzelne der Jungen hier ganz spezielle Bedürfnisse hatte, und genau diese wurden ihnen ausgetrieben. Und das wiederum war der Schwachpunkt des Camps. Sie scherten alle über einen Kamm. Seit Balaban das begriffen hatte, wusste er – sie hatten unrecht.”
Auch wenn diese dystopisch-fantastische Grundidee sich nach einem interessanten Rahmen für ethische Fragen anhört und es vielleicht auch ist, kam für mich der Unterhaltungsfaktor von „Perfekte Menschen“ um einiges zu kurz. Viele der mutmaßlichen Parallelbezügen erschlossen sich für mich in Unkenntnis der Ballaban Legende auch nach einer Recherche nicht.
Als gesellschaftliche Dystopie und Parabel hat die Geschichte für mich einigermaßen funktioniert, aber auch hier sind mir sicher einige der Intentionen Grills entgangen. Einige der Ideen (z.b. die Figur Marco) gefallen mir im Ansatz gut. Es sind mir persönlich aber zu viele, die mir dann nicht befriedigend genug ausgearbeitet werden.
Grill schreibt unter anderem auch als Dichterin und das zeigt sich in der sprachlichen Schönheit ihres Romans.
Ich kann abschließend aber leider nicht sagen, dass der Roman mir große Lesefreude oder Bereicherung gebracht hätte. Das kann aber bei dir natürlich schon wieder ganz anders aussehen.
Vielen lieben Dank an den leykam Verlag und der Agentur Wolkenlos für dieses optisch wirklich wunderschöne Rezensionsexemplar! Und natürlich Danke und viel Erfolg für Andrea Grill für diesen Roman.
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