Als ich letztes Jahr den ersten auf Deutsch erschienenen Roman „Love Me Tender“ der französischen Autorin gelesen hatte, war ich instantly und completely fascinated.
Constance Debré lebt und schreibt kompromisslos und hat mich mit ihrer Tabulosigkeit und Direktheit eingenommen. Jetzt hat Max Henninger mit „Play Boy“, der bereits 2018 – also vor „Love Me Tender“ in Frankreich erschien – einen weiteren Roman der Autorin ins Deutsche übersetzt.
Auch entwicklungstechnisch würde ich „Play Boy“ von „Love Me Tender“ ansetzten und die Roman unterscheiden sich inhaltlich, aber nicht stilistisch.
Debré schaut in „Play Boy“ weniger auf ihre gescheiterte Ehe und die Beziehung zu ihrem Sohn wie in „Love Me Tender“, sondern mehr auf ihre Sexualität und ihre Herkunft und Klassenzugehörigkeit.
Nachdem sie mit ihrer bürgerlichen Existenz und ihre Ehe gebrochen hat, entdeckt sie ihre Liebe zu Frauen und macht erste Erfahrungen.
Ihr Blick auf die Frauen, die sie begehrt und die sie begehren ist dabei von einem männlichen Blick geprägt – zweckmäßig, zielgerichtet und kalt.
„Und dass eine Frau zu lieben bedeutet, sie gleichzeitig zu verachten. Ich habe die Gewalt der Männer verstanden. Ich hab mich gefragt, ob es das ist, was sie für uns empfinden, was Laurent für mich empfunden hat.“
Ich empfinde die Art wie Debré die Beziehungen der Erzählerin beschreibt, als stark funktional und auch als Provokation. Ich hinterfrage meine eigenen Geschlechterzuschreibungen und Vorurteile.
„Ich verstehe Männer, die zu Nutten gehen. Ich verstehe sogar die Vergewaltiger. Zum ersten Mal spüre ich die ganze Gewalt des Verlangens wie einen Stich. Des Verlangens nach dem Körper der Frauen.“
Verweigerung
Immer wieder beschreibt die Erzählerin, wie sehr sich von der Gesellschaft abgestoßen fühlt und wie sehr sie sich selbst als Außenstehende sieht. Konventionen sieht sie als sinnentleert und nur als Feigenblatt für die Sinnlosigkeit des Lebens
„Offenbar kommt es ihnen nie in den Sinn, dass sie morgen sterben werden. Ich verstehe nichts von ihrem Leben. Ich hab versucht, so zu sein wie sie, aber es ist mir nicht gelungen.“
Ich würde sogar sagen, dass Debré zeigt in „Play Boy“ fast eine Art Defätismus, angesichts der Unmöglichkeit des Einzelnen, ein freies und selbstbestimmtes Leben zu führen oder auch nur zu erkennen, was Freiheit bedeuten könnte. In ihrem Beruf als Anwältin erkennt sie klar das Klassensystem und auch ihre eigene Position darin.
„Ich bin reich und sie ist arm. Deshalb werde ich gewinnen. Es wird so kommen müssen. Die Reichen gewinnen immer. So wie die Armen immer sterben. Es ist nicht meine Schuld. Es ist nicht meine Schuld, dass die Reichen gewinnen. Es ist nicht meine Schuld, dass ich reich bin. Ich bin so geboren. Es liegt in meiner DNA, steht bereits lange fest. Ich bin ein Kind reicher Eltern, die selbst reiche Eltern hatten.“
Definitiv ist „Play Boy“ wieder eine lesenswerte und aufregende Veröffentlichung der Autorin, die mich mit ihrer wirklich harten Kompromisslosigkeit meine eigenen Prägungen und Glaubenssätze hinterfragen lässt. Debré verweigert und bricht mit jeder Art der Gefälligkeit und der Anbiederung an die Lesenden. Das macht ihre Art zu Schreiben so besonders.
Unglaublich gerne möchte ich noch mehr von Debré lesen und ihre Entwicklung und ihren Weg weiterverfolgen und einfach mehr von dieser kraftvollen und intensiven Literatur erleben.
Wenn du noch nichts von Debré gelesen hast, würde ich dir wahrscheinlich als erstes „Love Me Tender“ empfehlen, es ist in meiner Erinnerung weniger hart, vielleicht auch weniger nihilistisch, aber genauso tabulos und kompromisslos.
Ein großes Dankeschön an den Matthes und Seitz Berlin Verlag für das Rezensionsexemplar. Danke und viel Erfolg an Constance Debré für die deutsche Veröffentlichung des Romans!
Aus dem Französischen von Max Henninger
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