Anja Reich ist Journalistin und Autorin. In ihrem neuen Roman “Simone” verarbeitet sie autobiografisch den Selbstmord ihrer gleichnamigen Freundin.
Wie so oft steht an erster Stelle die unvermeidliche Frage nach dem Warum.
“Wir brauchen einen Sündenbock, einen Grund, eine Erklärung, versuchen zu verstehen, was wir nicht verstehen können, um selbst weiterleben zu können.”
Zusätzlich quält sich Reich mit starken Schuldgefühlen, denn Simone hat vor ihrem Suizid telefonisch versucht ihrer langjährigen Freundin etwas wichtiges anzuvertrauen.
„Simone“ ist mehr als der Versuch einer Analyse einer unbegreiflichen Tat. Reich skizziert und analysiert während ihrer Recherche das komplette, wenn auch kurze, Leben Simones.
Können bereits in kurz nach der Geburt Anzeichen entdeckt werden, die auf dem späteren Suizid Simones hindeuten?
Als Baby kam Simone in eine DDR-typische Wochenkrippe, von denen man heute weiß, dass sie das Bindungsverhalten für immer schädigen können.
“Trennung von Menschen, die ihr viel bedeuteten, warfen sie aus der Bahn, riefen Angst in ihr hervor”
Beide Mädchen werden im DDR-System groß und freunden sich an. Reich kommt für eine Weile mit Simones Bruder zusammen.
Dann der Mauerfall. Euphorie.
Aber es ist auch ein großer Umbruch, den einige nicht gut verkraften. Und Simone? Wie hat sie den Systemwechsel erlebt?
Während Reich beruflich Fuß fast und eine Familie gründet, ist Simone Dauerstudentin, hat Wechselnde Männerbekanntschaft. Aber immer die falschen, nicht verfügbaren Männer.
Wünscht sich Bindung und Nähe, aber hält sie nicht aus.
Das besondere an Reichs Recherchen sind neben dem bewegenden individuellen Leben von Simone, das sie sehr sensible beleuchtet, die gesellschaftlichspolitische Dimension, die immer mit einfließt.
So thematisiert Reich den Selbstmord als großes gesellschaftliches Tabu, das immer noch oft ausgeblendet oder verschwiegen wird.
Diese Mischung Spurensuche, Tagebüchern und Gespräche mit Angehörigen und Expert*innen macht den Roman für mich äußerst lesenswert. Emotional ergreifen mich vor allem die Enthüllungen der letzten Lebensjahre von Simone, die nicht glücklich, sondern von verzweifelter Suche nach Nähe geprägt sind.
Auch ich frage mich, ob Simones Leben anders verlaufen wäre, wenn manche Umstände vielleicht anders gewesen wären.
Diese Fragen können und werden nie beantwortet werden. Was Reich aber mit ihrem Roman erschafft ist etwas Bleibendes: es eine Erinnerung an eine verlorenen Freundin, Schwester und Tochter. Die Erinnerung an Simone.
Vielen herzlichen Dank an den Aufbau Verlag für das Rezensionsexemplar!
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