„Stirb doch, Liebling“ war kein einfaches Buch. Keines, das ich abends noch zum Abspannen lesen konnte.
Es forderte mich sowohl stilistisch als auch inhaltlich.
Dabei habe ich einiges mit der Erzählerin in „Stirb doch, Liebling“ gemeinsam. Ich lebe auf dem Land und habe ein Kind (oder mehrere).
Der für den Internationalen Literaturpreis 2019 nominierte Debütroman der Argentinierin Ariana Harwicz macht es mir trotzdem nicht leicht, mich mit ihrer Erzählerin zu identifizieren, aber diese Distanz ist vermutlich auch gut so.
Denn Harwiczs Text ist voller Wahnsinn, voller Hass, voller Sex und voller Gewalt.
Es ist die Beschreibung einer ungewollten Mutterschaft, der Aufschrei einer Frau im Gefängnis der gesellschaftlichen Konventionen und gebunden an einen Mann, den sie gleichermaßen hasst und liebt.
Ihren kleinen Sohn empfindet sie als große Belastung. Die Liebe und der Beschützerinstik, den sie für ihn fühlt, ist für sie ungenehm und eine große emotionale Zumutung. Die gesellschaftlich vorgegebene Mutterrolle ist für sie nicht ausfüllbar, ihre ganze Existenz sperrt sich dagegen.
„Er denkt wohl, er hat eine Standardmutter, der man die ersten Malversuche vom Kindergarten zeigen kann.“
Gewalt- und Sexfantasien beherrschen und quälen sie, ihrem eigenen Körper gegenüber ist sie taub, nur grobe Verletzungen kann sie noch spüren.
Ihrem Mann und ihrem Umfeld bleiben ihre Probleme natürlich nicht verborgen.
Sie funktioniert nicht.
Ihre Verweigerung der Frauen- und Mutterrolle wird zum Problem.
Der Druck steigt.
Es war für mich schwierig der durchaus vorhandenen Handlung zu folgen, da die Zeit- und Erzählebenen verschwimmen und die Perspektive der Erzählerin von ihren Wahnvorstellungen eingefärbt ist
Die Sprache verstärkt diesen Eindruck, denn sie ist fast lyrisch abstrakt, metamophorisch und sprunghaft.
Stellenweise ist sie provokativ derb und politisch nicht korrekt. Darin liegt eine Rohheit, die mit dem gängigen Frauen-und Mutterbild kontrastiert.
„Stirb doch, Liebling“ war für mich ein kurzes (125 S.) literarisch herausforderndes Intermezzo, das ich als verstörend und interessant aber nicht zwangsläufig als bereichernd gelesen habe und das ich nur unter großem Vorbehalt weiterempfehlen möchte.
Aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz.
Erschienen 2019 bei C.H.Beck Literatur
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