VERTRAUENSÜBUNG von Susan Choi

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Vertrauensübung Susan Choi Rezension

Bei dem Roman „Vertrauensübung“ muss ich von meiner üblichen Vorgehensweise abrücken. Normalerweise setzt ich mich DIREKT nach dem Beenden eines Romanes an seine Besprechung, damit ich die Leseeindrücke möglichst frisch und authentisch wiedergeben kann.

Das hat hier nicht funktioniert. 

Die „Vertrauensübung“ endet mit einem Paukenschlag und ich legte das Buch mit einem derart ratlosen Gefühl auf Seite, dass ich das Gelesene erst mal einsickern lassen musste. Am liebsten will ich noch mal mit geschärfteren Sinnen den ersten Teil noch mal lesen.

Es ist 1982, die CAPA ist eine Elite-Schauspielschule, in der jedes Jahr nur wenige Schüler*innen aufgenommen werden. Es ist eine besondere Ehre vom allseits bewunderten Professor Mr. Kingsley unterrichtet zu werden und bei seiner „Vertrauensübung“ dabei zu sein. Zwei dieser besonders Auserwählten sind Sarah und David, beide um die 16, die eine leidenschaftliche Beziehung beginnen. Und ja, es gibt Sex, und ja, mir gefallen die Sexszenen gut.

Unterschwellig schwingt immer etwas düsteres mit, etwas ungesagtes. Es ist immer subtil spürbar, das etwas nicht unausgesprochenes wird, eine zweite Eben.Mir ist nicht klar, dass ich gerade eine „Vertrauensübung“ mache.

Bestehst du die Vertrauensübung?

Der Charakter des Romans ändert sich nach dem ersten Teil drastisch, als die Erzählperspektive wechselt.

Aber wechselt sie wirklich? Wer erzählt? Wessen Erzählung vertraue ich?

Ein Abgrund geht auf und er wird immer tiefer…

Das erzeugt ab der zweiten Hälfte einen interessanten Sog und gefällt mir deutlich besser als der, etwas langatmige erste Teil.

Ich möchte den Roman aber nicht in eine Kategorie wie „gefallen“ oder „unterhaltsam“ einordnen, denn das wird ihm nicht gerecht. Die „Vertrauensübung“ schenkt keine schnelle Befriedigung, die ich sonst gerne suche.

Choi bewegt sich in meinen Augen dabei sehr hart an der Grenze zur intellektuellen Abgehobenheit, überschreitet sie jedoch nicht. Der Roman hat das Potential zu erschüttern und die Wahrnehmung zu verschieben. Ich bin froh ihn gelesen zu haben.

Hättet ihr auch Lust auf eine „Vertrauensübung“? 

Übersetzt von Tanja Handels und Katharina Martl

Susan Choi Autorinnenporträt

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