Welches Königreich von Fine Gråbøl

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Welches Königreich Fine Grabol Rezension

Unser alltägliches Zusammenleben ist von gewissen gesellschaftlichen Standards geprägt. Einer davon ist die Vereinbarung, dass auf die Fragen: „Wie gehts dir eigentlich“ oft nicht wirklich eine ehrliche bzw. ausführliche Antwort erwartet wird.

Ganz anders verhält es sich in dem betreuten psychiatrischen Wohnheim, in dem Gråbøls Debütroman „Welches Königreich“ spielt. Dort erholt sich eine namenlose Ich-Erzählerin nach längerem Aufenhalt in der Psychatrie und soll dort resozialisiert werden.

Hier kann die Aufmerksamkeit der Betreuer*innen gegenüber der Stimmung der Bewohner*innen über Leben und Tod entscheiden.

Hier können nicht wieder eingesammelte Rasierklingen zu Verletzungen oder zu Schlimmeren führen können. Ein geöffnetes Fenster ist hier nicht nur ein geöffnetes Fenster, sondern kann immer auch eine gefährliche Einladung sein.

Gråbøl beschreibt in “Welches Königreich” in sensibler, tastender Sprache den Mikrokosmos einer betreuten Wohngruppe und das Innenleben ihrer Ich-Erzählerin. 

In kleinen Szenen zeigt sie, wie Bewohner*innen und Betreuer*innen den Kampf um einen normalen Alltag führen, in dem die Auswahl, Vorbereitung und die gelungene Zubereitung eines Abendessens ein enormer Fortschritt und ein kleiner Sieg sein kann.

realistisch nicht episch

Stattdessen erzählt sie unaufgeregt und mit feinem Gespür vom alltäglichen Leben in der täglichen Ausnahmesituation. Von dem gesellschaftlichem Tabu und den Vorurteilen,  die immer noch mit psychischen Erkrankungen verbunden sind.

„Als ob das System nicht menschengemacht wäre, als ob meine eigene romantische Vorstellung von einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik auf dem Land nicht ebenfalls Teil des Systems wäre; dass Kranke einfach nur frische Luft in einem Leben außerhalb der übrigen Gesellschaft brauchen.“

Es ist kein spannender Roman mit aufregender Handlung oder überraschenden Plot, es ist vielmehr eine kleine Moment- und Bestandsaufnahme aus dem Leben der Erzählerin.

Ich erfahre nicht, was vorher in ihrem Leben passiert ist und nicht wie es mit ihrem Leben weitergeht. Der Roman ist, genauso wie die Wohngruppe, eine kleine abgeschlossene Einheit.

Aber der wunderbare Schluss lässt viele Möglichkeiten für eine Öffnung.

„Eine endgültige Zerstörung kann auch ein Neubeginn sein.“

Ich empfehle den Roman für Leser*innen, die nicht unbedingt einen abgeschlossenen Plot oder Aufregung brauchen, sondern an literarisch hochwertigen Einblicken in andere Gedankenwelten interessiert sind.

  • Fine Gråbøl und Hanna Granz
  • Welches Königreich Klappentext

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