Es gibt so Romane, die sind besonders erzählt und haben eine besondere Stimmung.
Für mich war „Wildhof“ so ein Roman. Und wenn ein Roman so besonders ist, fallen auch kleinere Kritikpunkte nicht mehr so ins Gewicht.
„Wildhof“ ist der Name eines kleinen Dorfes und in diesem kleinen Dorf steht abgelegen ein verwildertes Haus.
Lina ist in Wildhof aufgewachsen, war aber seit längerer Zeit nicht mehr in ihrem Heimatdorf. Nicht einmal um ihre Eltern dort zu besuchen. Vor vielen Jahren verschwand ihre Zwillingsschwester Louise. Die Eltern sind daran zerbrochen und eigentlich auch irgendwie innerlich gestorben.
»Ich dachte irgendwie immer, deine Eltern sind schon tot.“
»Ja, das dachte ich auch.«
Jetzt ist bei einem Autounfall auch noch die äußere Hülle der beiden gestorben und Lina, mittlerweile 30 Jahre alt und beruflich erfolgreich, kehrt in ihr altes Elternhaus nach Wildhof zurück, um sich um den Nachlass zu kümmern.
Ich liebe die Beschreibungen des Hause und des Gartens mit seiner leicht morbiden, verfallenen Stimmung, die mir zeigt, hier lebt schon länger nichts mehr.
Aber lebt Lina eigentlich noch so richtig? Irgendwas ist mit dem Verschwinden ihrer Schwester auch in ihr gestorben.
„Die Erinnerungen wollen rein, in ihr Leben, in ihren Körper, irgendwo weiterleben, dem Nichts entkommen.“
Lina ist eine Protagonistin, die mir sehr gefällt. Sie ist wild, hat eine Bewährungshelferin wegen eines Vorfalls bei dem sie sich nicht unter Kontrolle hatte und auch in Wildhof kommt es zu …Zwischenfälle.
Mit dem Zusammentreffen von Lina und ihren Freund*innen aus Kindheitstagen kommt Dynamik in die Geschichte. Die alte Clique von damals ist wieder vereint. Bis auf Louise, was allen schmerzhaft bewusst ist.
Eva Strasser erzählt in ihrem Roman sehr atmosphärisch und auch spannend. ihre Erzählstimme hat einen etwas kindlichen, fast naiv zu nennenden Charakter, der aber nichts mit Simplizität zu tun hat. Vielmehr unterstreicht diese Stimme den märchenhaften Charakter der Geschichte, das Mystische und das Verwunschene, das dem Haus und vor allem dem Wald anhaftet.
Well, das Intermezzo mit dem englischen „Rockstar“ hätte ich jetzt nicht unbedingt gebraucht. Aber der sich daran anschließende Schluss, der eindeutig von der Handlungsführung und stilistisch als Höhepunkt angelegt ist, gefällt mir unglaublich gut und rührt mich sehr.
Letztendlich ist es auch ein starker Roman über Trauer, Loslassen und wieder lebendig werden.
Inhaltlich erinnert mich der Roman ein bißchen an „Es gibt keine Wale im Wilmersee“ von Laura Dürrschmidt. Wenn du diesen Roman kennst und mochtest, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass dir auch Wildhof gefallen könnte.
Aber auch so lohnt sich ein Blick auf diese Neuerscheinung der Berliner Drehbuchautorin.
Vielen lieben Dank an den unabhängigen Wagenbach Verlag für das Rezensionsexemplar mit dem schönen Cover. Danke und viel Erfolg an Eva Strasser für den Roman!
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