Meine Lesebeziehung zu Heinz Strunk ist zwiegespalten. Auf der einen Seite interessieren mich die Gedankenwelten seiner männlichen, mittelalten Losertypen nur bedingt. Auf der anderen Seite kann er einfach schon verdammt lustig sein und super die Verletzlichkeit in unserem alltäglichem Losertum zeigen.
Aber wenn ein Roman von Strunk „Zauberberg 2“ heißt, will ich das dann schon lesen.
Und natürlich gibt es Parallelen, Anspielungen und Querverweise zum „Der Zauberberg“, die ich auf gar keinen Fall alle erfassen kann, weil meine Lektüre des Schinkens von Thomas Mann, ähm bestimmt schon 20 Jahre zurückliegt.
Strunk hat die Schwindsucht ist in seinem Roman mit der heutigen Volkskrankheit des „allgemeinen Lebensüberdruss“ geupdated. Sein Protagonist Jonas Heidbrink leidet daran und besucht deshalb ein privates Sanatorium.
Das befindet sich statt in den malerischen Bergen in den Sümpfen der mecklenburgischen Einöde.
Bonjour Tristesse.
Heidbrink ist beruflich sehr erfolgreich, aber privat immer auf der Verliererseite. Im Sanatorium ist er viel damit beschäfftigt Anschluss zu finden, findet sich in seine wenig glorreiche Schulzeit zurückversetzt.
„Schließlich war im nichts anderes übrig geblieben als sich mit dem Rangniedersten, Hans-Joachim, zusammenzutun. Hans-Joachim, was für ein abgefuckter Blindgängername. Bei jeder Gelegenheit hatte Heidbrink die Verzweiflung wegzuornanieren versucht, seine Wichsdichte war wirklich schwindelerregend hoch gewesen. Not in Wichse verwandeln.“
Mir gefällt Strunks Humor schon wirklich gut. Ich musste während des Hörens manchmal laut lachen, weil die Schilderungen aus Musik-, Kunst- und Bewegungstherapie, sowie die Beschreibungen der anderen Sanatoriumsgäste einfach so lustig sind.
Zynismus als Schutzschild
Ich finde auch, dass er diese Atmosphäre, die typischerweise auf einem Zauberberg vorherrscht, ziemlich gut eingefangen hat. Zeit, die sich ausdehnt, bis sie nicht mehr messbar oder egal ist, die Anspielungen auf den schleichenden morbiden körperlichen und seelischen Verfall. Komische, absurde und surreale Gedanken und Träume.
„Die geballte Langeweile aller Besucher vor ihm hat sich in die Tischplatte eingebrannt. 1 Monat – 30 Tage, 5 Monate – 150 Tage , 1 Jahr – 365 Tage, 3 Jahre – 1000 Tage.“
Tendenziell fand ich den Mittelteil fast ein wenig zu weitschweifig, aber da dropped Strunk zur Auflockerung nette literarische Goodies, wie die köstlich abstruse Kurzgeschichte „Die Besucherritze“.
Hinter dem Humor über die Banalität und die Profanität des Lebens steckt bei Strunk aber immer auch, wie ich finde, eine gewisse Sicht auf den Kern des Menschseins, die seine Literatur dann tiefgängig und lesenswert macht.
Ich wurde nicht enttäuscht von diesem unterhaltsamen, ja doch auch vielschichtigen Hörbuch, das von Strunk selbst einfach genial eingelesen wurde.
Auch wenn du „Der Zaubergberg“ nicht gelesen hast, ist das Hörbuch auf jeden Fall eine Empfehlung für dich, wenn du dich mit Strunks Stil wohlfühlst.
Hörbuch und Buch erscheinen übrigens heute, genau hundert Jahre nach dem Originals „Der Zauberberg“ von Thomas Mann. Das betont, dass Strunk seinen Roman „Zauberberg 2“ als Hommage und Verbeugung vor einem der bedeutendsten Werke, die, seiner Meinung nach, in deutscher Sprache geschrieben worden sind, verstanden wissen möchte.
Ich bedanke mich sehr bei Roof Music, wo das Hörbuch erscheint und bei NetGalley für das digitale Hörexemplar.
Das dazugehörige Hardcover erscheint beim Rowohlt Verlag.
![Heinz Strunk](https://i0.wp.com/lust-auf-literatur.com/wp-content/uploads/2024/12/Zauberberg-2-2.png?resize=1024%2C1024&ssl=1)
Schreibe einen Kommentar