Kennst du das, wenn dich ein Buch voll erwischt? Blöde Frage, du bist ein Bookie. Wir kennen das wahrscheinlich alle.
Ich muss sagen, die emotionale Katharsis kommt bei mir häufiger bei dickeren Büchern vor, wenn ich mich über viele Seiten richtig mit den Figuren verbunden habe. Seltener bei Romanen mit nur wenigen Seiten.
Es zeigt vom ganzen schriftstellerischen Können des niederländischen Schrifstellers Peter Zantingh, dass es ihm mit „Zwischen uns und morgen“ in einem nur schmalen Band absolut gelingt, mich mit seiner Geschichte zu berühren.
Die Rahmenhandlung ist eigentlich nur die längere Zugfahrt von Robin, dem Ich-Erzähler, der mit seinem kleinen Sohn zu seiner Freundin fährt, um sie zu überraschen. Tess ist auf einer beruflichen Lesereise und es ist klar, dass zwischen dem Elternpaar etwas vorgefallen ist, und sie nicht im Guten auseinander gegangen sind.
Reise in die Vergangenheit oder in die Zukunft?
Während der Zugfahrt denkt Robin an die Vergangenheit zurück. Er denkt an seine Eltern und daran wie er seine Freundin Tess kennengelernt hat und vor allem an die Themen, die sie beschäftigen.
Es war in der Vergangenheit vor allem die Frage, ob sie in einer Welt, die kurz vor dem Kollaps und der Selbstzerstörung steht, ein Kind bekommen wollen. Überschwemmungen, jährliche neue Hitzerekorde und häufige Wetterkatastrophen werden unser Leben und das unserer nachfolgenden Generationen immer herausfordernder machen.
Ist ein Kinderwunsch egoistisch und verantwortungslos?
“Wie kann man das gegen die einzige Sicherheit – dass es mich und uns sehr glücklich machen würde – aufrechnen?«”
Robin war sich immer sicher, dass er nie Vater werden wollte, Tess hat ihre eigenen Struggles mit dieser Entscheidung.
Aber wie sicher sind unsere Entscheidungen eigentlich? Was, wenn meine Entscheidungen nicht nur mich allein betreffen?
Zantingh überlässt mir in seinem nachdenklichen und poetischen Roman selbst das Nachdenken über die Antworten. In einer ebenso raffinierten und genialen Romankonstruktion greift er das Motiv der sich verzweigenden Lebenswege auf, was mir wirklich sehr, sehr gut gefällt und für mich den Zauber des Romans ausmacht.
Der detailreiche und poetische Schreibstil Zantinghs schafft eine melancholische und zarte Grundstimmung und stimmt mich nachdenklich.
Nachdem mir der Roman der neuen Diogenes Tapir Reihe „Sie und der Wald“ zwar literarisch gefallen, mich aber emotional nicht abgeholt hat, tut es „Zwischen uns und morgen“ umso mehr.
Ich bin überrascht, denn das Cover und die Kurzbeschreibung ließen mich nicht ahnen, welch wunderbares kleines Highlight sich dahinter versteckt!
Vielen lieben Dank an den Diogenes Verlag für die Möglichkeit es mit einem Rezensionsexemplar zu entdecken und viel Erfolg an Peter Zantingh für seinen Roman!
Aus dem Niederländischen von Lisa Mensing.
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