Der Tag, an dem die Sonne starb von Yan Lianke

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Der Tag, an dem die Sonne starb Yan Lianke Rezension

Von daher passt „Der Tag, an dem die Sonne starb“ ziemlich genau zu meinen Lesevorlieben, und doch hat es mir der Roman von Yan Lianke nicht immer leicht gemacht.

Ich will mit dem Leichenöl anfangen. Wenn dich dieses Wort abstößt und du dir nicht vorstellen kannst, davon in einem Roman zu lesen, dann solltest du jetzt lieber auf meine anderen Buchempfehlungen zurückgreifen.

Denn das Leichenöl zieht sich wie in roter Faden durch den Roman. Bei Lianke steht es nach meiner Lesart für die Gewinnsucht mancher Menschen und ihren moralischen Verfall.

Der 14-jährige Li Niannian hat im kleinen Bestattungsunternehmen seiner Eltern die Aufgabe, dieses Leichenöl in Fäßern zu transportieren. Der Roman wird komplett aus seiner Perspektive erzählt und er sagt selbst von sich, dass er leider, leider ein klein wenig dumm ist, was ich als Leser*in nicht bestätigen kann.

Yan Lianke, der sich selbst als Nebenfigur in den Roman geschrieben hat, konzentriert die Handlung auf eine einzige Nacht und den daruffolgenden Tag. Es ist die Nacht, in der die Menschen anfangen traumzuwandeln und die Nacht, in der die Sonne am nächsten Tag nicht mehr aufgeht.

Nur Niannian, der schon immer an Schlaflosigkeit litt, bleibt wach und bei klarem Verstand und beobachtet das sich ausbreitende Chaos.

Ein unparteiischer Erzähler?

Denn die Traumwandler*innen sind nicht mehr an Konventionen gebunden. Sie werden von ihrem Unterbewussten gesteuert und verfolgen ihre Wünsche und unterdrückten Bedürfnisse. 

„Im Traum tut man, was man will. Und nicht, was man tun soll.“

In der kleinen Stadt verschwindet das rationale Denken und wird von einer Welle aus Chaos, Gewalt und Anarchie weggespült. Horden von Plünderern, Mördern und Vergewaltigern strömen durch die Straßen.

Das vorige System aus Unterdrückung, Denunziationen und strengen Regeln rächt sich jetzt bitter.

Ein düsterer surrealer Alptraum 

Ich haste mit Li Niannian durch die Träume der anderen. Liankes Erzählweise spiegelt die Verwirrung wieder. Er schickt seine Figuren von von hier nach da, scheinbar ohne Ziel.

„Alle liefen sie uns hinterher. Und ich begriff, dass Traumwandler wie heimatlose Wanderer sind. Wie eine Herde Schafe ohne Leithammel. Sie müssen nur einen neuen Leithammel finden und mit ihm einen Platz zum Essen, Wohnen, Geldverdienen und schon folgen sie ihm.“

Ich habe mich mit dem massiv gesellschaftskritischen „Der Tag, an dem die Sonne starb“ einigermaßen schwer getan, was hauptsächlich an Liankes für mich wenig eingängigen Schreibstil lag. Sein Erzählton, der durchgängig Li Niannian jugendliche, naive Stimme wiedergibt, war für mich ungewohnt und sperrig. Auch mein fehlendes Vorwissen bezüglich gesellschaftlicher und politischer Hintergründe in China erschwerte mir wahrscheinlich das Erfassen von Zwischentönen.

Auch wenn der Klappentext „eine Gesellschaftskomödie, die wie eine Zombie-Apokalypse blutet“ verspricht, empfehle ich vorab die auf der Webseite des Verlages verfügbare Leseprobe.

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