Zwei Frauen spiegeln sich auf dem Cover von „Die Häutungen“. Am oberen Rand Deborah Moody, eine Siedlerin in Nordamerika des 17. Jahrhunderts, am unteren Rand, die moderne Erzählerin im heutigen Barcelona. Feuer und Wasser.
Lijtmaer erzählt die Geschichten der beiden Frauen kapitelweise abwechselnd und auf verschiedenen Zeitebenen, doppelt verschachtelt.
Was verbindet die beiden Frauen? Es ist sind ihre Beziehungen zu Männer und ihr Leben in einer patriarchalen Gesellschaftsstruktur, denn LucÍa Lijtmaers Roman ist zutiefst feministisch, was ich natürlich hart abfeiere.
Ich liebe ihre drastischen Worte, ihren vielschichtigen und komplexen Text und die letztendliche Möglichkeit der Emanzipation und der Ermächtigung, die sei für ihre Figuren vorsieht!
„So seid ihr Männer, fest davon überzeugt, dass die Leute sich an die Regeln halten, einfach nur deshalb, weil ihr sie die ganze Zeit über diktiert habt, nicht wahr? Ihr behandelt uns wie dressierte Hunde, und es fällt euch im Traum nicht ein, dass die Hunde die Kleidung zerfetzen könnten, oder hinpinkeln, wo sie nicht sollen, oder abhauen, ja, abhauen.“
Tatsächlich basiert die Geschichte der Deborah Moody lose auf einem wahren historischen Vorbild, das Lijtmaer aus alten Dokumenten recherchiert hat. Im Roman begleite ich Deborah in ihrem von Männer dominierten Leben und bei ihrem starken Wunsch und Kampf nach Unabhängigkeit. Aus England bricht sie in der Hoffnung in die neue Welt auf, dass sich die Regeln für Frauen dort noch nicht verfestigt haben. Und tatsächlich kann sie sich nach dem Tod ihres Manne mit ihrem gesellschaftlichen Gespür einen gewissen Erfolg erarbeiten. Sie möchte für und mit anderen Frauen etwas Unabhängigkeit erreichen. Aber die anti-feministische Kräfte sind stark und in den Kolonien bricht die Zeit der Hexenverfolgungen an…
Diametral in der alten Welt in der modernen Zeit, möchte sich eine Ich-Erzählerin aus einer anderen Art von Abhängigkeit befreien. Sie liebt einen Mann, der sie schlecht behandelt und sie verlassen hat. Aber ist es Liebe oder die Hoffnung auf eine gesellschaftskonforme Zukunft mit Ehe und Kind, die er repräsentieren würde?
Bei Lijtmaer ist die Liebe ein Schlachtfeld, auf dem die Frauen oft als Verlierer hervorgehen.
Love is battlefield…
Braucht es für wahre Unabhängigkeit die total Freiheit von jeder Beziehung? Gibt es Solidarität unter Frauen in einem System, das nur nach den Regeln der Männer funktioniert? Ich liebe die vielschichtigen Überlegungen und Fragen von Lijtmaer, auf die sie nicht immer eine eindeutige Antwort gibt.
Zudem ist der Roman spannend und meisterlich erzählt. Die Konstruktion ist so raffiniert, dass sich mir die Genialität des Aufbaus erst ganz zum Schluss offenbart und ich tatsächlich noch mal kurz nach vorne skippe…
Ich fand „Die Häutungen“ sehr unterhaltsam, aber auch vielschichtig und komplex. Ganz nah an der Grenze zum Metaübergang, aber noch nicht drüber. Die Botschaft des Romans empfinde ich als Selbstermächtigung und ermutigend und ich feiere einfach diesen Schluss!
Wenn du Lust auf einen literarisch äußerst ausgefeilten und spannend konstruierten Roman hast und du gerne feministische Text liest, dann ist „Die Häutungen“ ein perfektes Buch für dich!
Aus dem Spanischen von Kirsten Brandt
Vielen lieben Dank an den Suhrkamp Verlag für das Rezensionsexemplar und Danke und viel Erfolg für Lucía Lijtmaer für den Roman!
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