Hmmm…ich bin nicht zufrieden mit dem Schluss von „Glück“. Das passiert bei mir nicht oft, vor allem nicht bei Romanen, die mir eigentlich gefallen haben.
But well, das Leben ist kein Wunschkonzert. Wo ich natürlich gleich beim Thema bin, denn im neuen Roman von Jackie Thomae geht es ganz viel um den Kinderwunsch.
Will ich Kinder haben?
Für mich persönlich, wie wahrscheinlich für viele andere Menschen, ein sehr sensibles und aufgeladenes Thema. Mittlerweile bin ich aber an einem Punkt, an dem ich darüber relativ unbelastet lesen kann. Und Thomae macht es mir mit ihrer lockeren, fast humorvollen Schreibweise leicht. Sie verpackt die Frage nach dem (Kinder?) Glück in einen leichten Sommerroman, den ich zwar feministisch nennen würden, der aber ohne wirklich Schärfe oder bittere Nuancen auskommt.
Das ist auf jeden Fall Geschmackssache, ich mag Gesellschaftsromane vermutlich aber dann doch lieber stärker gewürzt.
Marie-Claire, genannt MC, ist eine bekannte Radio Moderatorin und Podcasterin und Ende 30, später dann Anfang 40 und hat das Gefühl eine wichtig Deadline im Leben verpasst zu haben. Sie hat noch kein Kind und ihr biologisches Zeitfenster beginnt sich zu schließen. Sollte sie eines bekommen? Was, wenn sie den entscheidenden Zeitpunkt verpasst und es dann irgendwann keine Option mehr ist? Praktischerweise hat sie eine liberale Frauenärztin, die ihrem „Glück“ mit modernster Medizin auf die Sprünge helfen will…
Anahita ist genauso alt und hat als Politikerin eine steile Karriere gemacht und sie hat noch weitere Ambitionen. Auch bei ihr stellen viele die Frage nach einem Kind, denn anders als bei Männer gilt nach wie vor das Leben einer Frau erst mit Kind und Familie als komplett und erfüllt. Doch Anahita ist sich unsicher, wie ein Kind in ihr Leben passen soll und ihre früheren Erfahrungen mit Kindern als Lehrerin waren alles andere als erfüllend…
Jackie Thomae greift mit ihren beiden Ich-Erzählerinnen viele Facetten eines Frauenlebens kurz vor der Torschlusspanik auf. Woher kommt der Wunsch nach einem Kind? Möchte ich mich wirklich die nächsten 15-20 Jahre oder gar für immer einem anderen Menschen verpflichten, den ich noch gar nicht kenne? Wer will eigentlich, dass ich Kinder will? Und was, wenn die biologische Uhr gar nicht ticken würde? Wenn ich genauso viel Zeit wie die Männer hätte, einen eventuellen Kinderwunsch zu erfüllen?
Das sind die Fragen, mit denen Thomae ihre Figuren hadern lässt. Sie stellt ihnen eine ganze Batterie an weiblichen Komparsinnen zur Seite, deren Geschichten jeweils verschiedene Aspekte dieser Fragen widerspiegeln.
Passen Kinder in mein Leben?
Das ist eigentlich ganz unterhaltsam, zu tieferen Erkenntnisse führt das bei mir nicht, was daran liegen kann, dass ich diese Fragen schon zu Genüge innerlich bearbeitet habe und die Antworten für mich schon gefunden habe.
Ich bin auch etwas irritiert von dem Bild und der Machbarkeit, die Thomae, unabhängig vom fiktiven Anteil ihres Romans, von später Mutterschaft zeichnet. Schwangerschaften jenseits der 45 sind meines Wissens nach auch in Städten, wo der Zugang zu modernster Reproduktionsmedizin einfacher ist als auf dem Land, immer noch mehr die Ausnahme als die Regel. Zudem steht diese Option vermutlich nur einer gewissen gesellschaftlichen Schicht mit der nötigen Bildung und finanzieller Potenz zur Verfügung.
„Glück“ ist mit Sicherheit ein unterhaltsames und leicht gesellschaftskritischer und relevanter Roman, der aber nur eben die Situation einer gebildete und erfolgreichen Frau abbildet und weniger die Lebensrealität des Großteiles der Frauen mit weit weniger Optionen und Reflektionsmöglichkeiten.
Da ich Thomaes Schreibstil ziemlich fresh und eingängig fand, hatte ich mit „Glück“ trotzdem eine ziemlich gute Lesezeit, auch wenn es vielleicht nicht so deep, wie ich es mir vielleicht erhofft hatte.
Vielen lieben Dank an den Claassen Verlag von den Ullstein Buchverlagen für das schönen Rezensionsexemplar mit der schönen Gold Prägung! Und natürlich Danke und viel Erfolg an Jackie Thomae für den Roman!
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