“Und dann die Art, wie Thalia starb – wie ihr Körper misshandelt worden war – und ins Wasser geworfen – jedes Mädchen bloß ein Körper, den man benutzen und entsorgen konnte – einen Körper zu haben schon genug, um von ihnen begrapscht zu werden – einen Körper zu haben schon genug, um von ihnen vernichtet zu werden.“
Thalia wurde Anfang der 90er im fiktiven amerikanischen Internatscollege Grandby in New Hampshire ermordet. Ihr Mörder, der schwarze Sporttrainer Omar Evans, wurde schnell gefasst und sitzt seitdem hinter Gitter.
Im Mittelpunkt von Makkais neuem Roman „Ich hätte da ein paar Fragen an Sie“ steht ihre Ich-Erzählerin Bodie Kane, eine ehemalige Zimmergenossin von Thalia. Über 20 Jahre später kehrt Bodie für einen kurzen Aufenthalt an das abgelegene und elitäre Internat zurück, um als Gastdozentin einen Kurs übers Podcasten zu unterrichten.
Vor Ort denkt Bodie viel über ihre eigene Collegezeit zurück, die von traumatischen Familienereignissen überschattet war.
Das im Wald gelegene College war in dieser privaten Krisenzeit wie eine Heimat. Trotzdem denkt Bodie auch an das Mobbing der gleichaltrigen Jungs zurück.
Jetzt, als erwachsene Frau, sieht sie viele Dinge in einem anderen Licht und erkennt die Hänseleien als Ausdruck einer misogynen männlichen Anspruchshaltung auf weibliche Körper, die sich bei Erwachsenen manchmal bis zur Gewalt gegen Frauen oder noch Schlimmeren steigern kann.
Eine andere Bewertung in der Rückschau
Auch das Verhalten eines bestimmten erwachsenen Lehrers bekommt in der Rückschau eine andere Bedeutung. Besonders in Verbindung mit dem Mord an Thalia…
Besonders geschickt, wenn auch vielleicht nicht sonderlich subtil, fand ich die Gegenüberstellung des Verhaltens von Mr. Bloch am College Anfang der 90er und des kleinen #metoo Skandals, den Bodies Ex-Mann in der Gegenwart auslöst.
Dieser Roman „Ich hätte da ein paar Fragen an Sie“ hat für mich alles. Ein amerikanisches Campussetting ganz in der Tradition von Donna Tarts „Eine geheime Geschichte“. Ein Mord mit einem möglicherweise falsch verurteiltem Mörder. Kritik am amerikanischen Klassensystem und an den misogynen Gesellschaftsanteilen. Ein spannender Plot auf zwei bzw. drei Zeitebenen.
Makkai nimmt sich Zeit, das Setting und die Figuren authentisch und sorgfältig aufzubauen. Eine angenehmen Abwechslung in Zeiten meines literarischen sensation seekings.
Das alles macht „Ich hätte da ein paar Fragen an Sie“ für mich zu einem Highlight Schmöker Roman, in den ich richtig eintauchen konnte.
Das Ende schafft mir einen dicken Kloß im Hals (nein, keine Tränen) und eine breite Palette an Gefühlen, die ich nicht ohne zu Spoilern beschreiben kann.
Vielleicht möchtest du sie selbst herausfinden?
Vielen herzlichen Dank an den Eisele Verlag und Politycki & Partner für das schöne Rezensionsexemplar!
Aus dem amerikanischen Englisch von Bettina Abarbanell

Schreibe einen Kommentar