Die Ehe, die die Welt erschütterte
Die Ehe zwischen Anne Boleyn und Heinrich, dem VIII., erschütterte die Welt derart nachhaltig, dass sie auch heute noch zu einem gerne und vielfach rezipierten Stoff in Literatur, Film und Musik inspiriert. Da das Leben und die Ehen von Heinrich, dem VIII., zu einem meiner Spezialinteressen gehört, sind mir die groben Eckpunkte der Geschichte natürlich bekannt. Auch die vielen literarischen Adaptionen von Hilary Mantel, Phillipa Gregory, Magaret George und Alison Weir haben mich schon oft gedanklich in die Tudor Zeit reisen lassen. Dabei ist die Geschichte dieser Frau, ihrem hohem Aufstieg und tiefen Fall nicht nur aus feministischer und menschlicher Perspektive äußerste interessant, sondern auch in politischer Hinsicht, wie „Jagd auf den Falken – Anne Boleyn und Heinrich VIII.“ zeigt Diese politische Ebene gerät während der voyeuristischen Ausschlachtung von zwischenmenschlicher Details gerne in den Hintergrund.
In den neuen Sachbuch „Jagd auf den Falken – Anne Boleyn und Heinrich VIII.“ des britischen Autorenpaars John Guy und Julia Fox legen beide viel Wert darauf, auch die politischen Hintergründe und Zusammenhänge der Ehe von Anne Boleyn und Heinrich zu beleuchten. Der Aufstieg Annes, und mit ihr der der ganzen Familie Boleyn, ist eng verknüpft mit der politischen Verbindung Englands und Frankreich. Guy und Fox beschreiben, wie die jungen Anne während ihrer Zeit in Frankreich von mächtigen und einflussreichen Frauen wie Margarete von Österreich und Königin Claude sozialisiert und nachhaltig beeinflusst wurde.
Keine Boulevarddetails
Später wird Anne mit zunehmende Einfluss das Vorbild des gewagteren französisch inspirierten Hoflebens mit seinen Spielen und Liebeleien am englischen Hof etablieren.
Nach Annes Fall und Tod wird es am englischen Hof so schnell keine „höfischen Vergnügungen“ mehr geben und keine Frau wird nach ihr wieder einen so großen politischen Einfluss auf Heinrich, den VIII., haben.
Guy und Fox haben für ihr Buch sehr detailreich, genau und langjährig recherchiert, was der viele Seiten umfassende Anhang mit Anmerkungen, Quellenangaben, Stammbäumen und zusätzlichen Hintergrundinformationen eindrucksvoll zeigt.
Im Gegensatz zu den vielen dramatisch verdichteten und fiktiv ausgeschmückten belletristischen Werken habe ich das Gefühl, eine echten und authentischen Blick auf die historische Anne Boleyn und ihre Zeit geworfen zu haben. Das Sachbuch hat meine Kenntnisse fundiert korrigiert, aufgefrischt und erweitert. Der Schreibstil war optimal lesbar und unterhaltsam und es fühlte sich für mich jedes Mal wie eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit an, wenn ich das Buch zur Hand nahm.
Ein bisschen habe ich einen explizit feministischen Blick auf Anne Boleyns Leben vermisst und mehr über ihre und Heinrichs psychologischen Hintergründe, aber Guy und Fox spekulieren nicht, sondern halten sich an die Quellen und nachweisbare und dokumentierte Ereignisse.
Allerdings ist das Sachbuch wirklich sehr umfangreich und detailreich und damit optimal für spezial-interessierte Leser*innen geeignet, die mehr wissen wollen, als ein Wikipedia Artikel verrät.
Vielen lieben Dank an den C.H.Beck Literatur Verlag für das sehr gewünschte und wunderschöne Rezensionsexemplar!
Aus dem Englischen von Norbert Juraschitz und Karin Schuler.
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