LAUTER von Stephan Roiss

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Lauter Stephan Roiss Rezension

Was hat mich zu „Lauter“ greifen lassen? Das Cover finde ich zwar schön und interessant, hätte mich aber eigentlich nicht gereizt. Und die Kurzbeschreibung klingt jetzt auch nicht nach einem Thema, das mich normalerweise ansprechen würde, sondern auf den ersten Blick nach männlich gequälter Selbstmitleidsprosa.

Es war tatsächlich der Titel „Lauter“, der mich mit seiner Mehrdeutigkeit sofort ansprach und faszinierte. 

Roiss lässt mich hinter die Fassade eines jungen Mannes schauen, der große Schwierigkeiten hat, seine Gefühle zu identifizieren und zu adressieren.

Sein Protagonist Leon ist ein ziemlich cooler Typ, der das Leben in vollen Zügen auskostet. Er führt ein Leben immer am hedonistischen Maximum, lebt zeitweise in Kuba, spielt zu Hause mit seinen Freundinnen in einer Band und wohnt dort bei einem abwesenden Freund. 

Das Leben scheint leicht.

Die Aufarbeitung der Beziehung zu seiner Mutter sind für mich die stärksten Passagen des Romans. Die schonungslose Art, wie Leon sein vergangenes Verhalten seiner Mutter gegenüber reflektiert, ist entwaffnend. 

„Bald befand ich, dass ich von Mutters Ratschlägen lebenslang übel zugerichtet worden war, und warf ihr vor, was ich meinem Vater jedes zweite Wochenende leichtfertig verzieh.“

Als bei Leon kurz nach dem noch unverarbeiteten Tod der Mutter Krebs diagnostiziert wird, verliert er völlig den Halt. Er blockt alle Hilfsversuche seiner Freund*innen ab und fühlt sich alleine und verloren.

Kann man seiner Angst und seinen Gefühlen entkommen?

Roiss zeigt mir seinen Protagonisten in seiner ganzen Hilflosigkeit und Verletzlichkeit.

Leon flüchtet vor diesen Gefühlen. Er will dahin, wo es lauter ist. Dahin, wo er die inneren Stimmen, die Angst vor der eigenen Sterblichkeit, nicht hören kann.

Roiss arbeitet stilistisch geschickt mit lauten und leisen Passagen, mit dem Wechsel von früher und jetzt, von Reflektion und Situation und schafft mit übereinander greifenden Szenen- und Ortswechseln seinen ganz eigenen, treibenden Sound.

Auch wenn mir in „Lauter“ Roiss keine neue, überraschende oder emotional tiefgründige, sondern vielmehr eine universelle Geschichte erzählt, mochte ich sein sensibles Porträt eines Mannes auf der Suche nach dem wahrhaftig Lauterem.

Ich denke, irgendwann schauen wir alle unserer eigenen Verwundbarkeit und Sterblichkeit ins Gesicht.

Oder um es mit Paolo und David Bowie zu sagen:

„Oh no, love, you’re not alone!“

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