Leere Häuser von Brenda Navarro

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Leere Häuser Brenda Navarro

Das Cover von „Leere Häuser“ zeigt pastellfarbene Süßigkeiten. Der Inhalt des Debütromans der mexikanischen Schriftstellerin und Soziologin Brenda Navarro ist allerdings alles andere als süß und lieblich.

Es ist eine harte Geschichte über eine harte Lebensrealität von Frauen und Mütter, die Navarro in Form eines fesselnden Psychogramms zweier unterschiedlicher Frauen vor mir ausbreitet.

Beide Frauen haben keine Namen, sie sind namenlose und anonyme Erzählerinnen. 

Die eine ist die Mutter des kleinen Daniel, stammt aus der Mittelschicht und kümmert sich auch noch um die junge Nichte ihres Mannes, deren Mutter ermordet wurde. Sie möchte eigentlich keine Mutter sein und kümmert sich nicht gerne um die beiden Kinder. Die Mutterschaft verlangt ihr zuviel ab, das sie nicht geben kann. Die andere Frau lebt in sehr prekären Verhältnissen und ist mit einem lieblosen und gewalttätigen Freund zusammen. Sie hat es mit ihren bescheidenen Mittel geschafft sich mit einem kleinen Süßigkeitenverkauf selbstständig zu machen und möchte doch eigentlich nur eines: eine Tochter zum lieb haben.

Der Wunsch nach einem Kind ist so stark, dass die eine Frau den kleinen Daniel der anderen Frau im Park entführt und mit zu sich nach Hause nimmt. Dort nennt sie in Leonel und hofft, dass sie zusammen mit ihrem Freund einen kleine, glückliche und normale Familie werden.

Der Wunsch ist aus Verzweiflung geboren und zum Scheitern verurteilt.

Kreislauf der Lieblosigkeit und Armut

Nach und nach entblättert Navarro das furchtbare Leben der Kidnapperin. Sie steht in einer Reihe aus generationenübergreifenden Missbrauch und patriarchaler Unterdrückung. Der Hunger nach Liebe und Geborgenheit ist unendlich groß, doch wird er nie erfüllt. Es scheint unmöglich diesen Kreislauf zu durchbrechen, die Widerstände und gesellschaftlichen und inneren Zwänge sind einfach zu stark.

“Es hätte vielleicht auch andere Wege gegeben, ja, die hat es gegeben, aber ich hab gelernt, als Frau hast du deinen Platz in der Welt, und du bleibst, wo du bist, auch wenn du dich noch so sehr anstrengst.”

Mich machte die harten und zum Teil sehr bitteren Gedanken beider Frauen sehr betroffen und ich muss an die Folgen für die Kinder und ihre Verletzungen denken, die dadurch immer weitergetragen werden.

Und gleichzeitig schätzte ich auch die direkte Aussprache dieser ungeschönten und unretouchierten Gedanken der Frauen. Ihre geplatzten Träume und ihre Resignation machten mich traurig, voller Mitgefühl aber auch voller Wut. 

“[…] weil es schliesslich das war, was es für uns zu tun galt: leere Häuser zu sein, Häuser, um das Leben oder den Tod zu beherbergen, letzten Endes aber leer zu sein.”

Nein, „Leere Häuser“ ist wahrhaft kein süßer Roman, sondern ein hartes Aufzeigen der Folgen von Machismo, Sexismus und festgefahrenen Geschlechterrollen auf das Leben von Frauen*. Navarro beeindruckt mich in ihrem Roman mit der starken Ausarbeitung zweier Frauen, deren Erzählton je nach Klassenzugehörigkeit sich deutlich voneinander unterscheidet. Und unter der schnodrigen und abgebrühten Härte ihrer Entführerin liegt eine kindliche Verletztlichkeit, die mich sehr rührte.

Eine tolle Neuerscheinung bei Lenos Babel, dem internationalen Program des Schweizer Indie Verlags. Ich hoffe, dass noch weitere Texte der feministischen Autorin auf Deutsch übersetzt und verlegt werden.

Ein großes Dankeschön an den Lenos Verlag für das gewünschte Rezensionsexemplar. Danke und viel Erfolg an Brenda Navarro für den Roman!

Aus dem Spanischen von Stephanie von Harrach 

  • Brenda Navarro
  • Leere Häuser Brenda Navarro Klappentext

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