MÄRTYRER! von Kaveh Akbar

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Märtyrer! Kaveh Akbar Rezension

Ein Ausrufezeichen im Titel? Fragezeichen? 

Würde sagen, dass ist hier gerechtfertigt! Ausrufezeichen.

Denn der Debütroman des iranisch-amerikanischen Autors Kaveh Akbar dreht ordentlich auf, sowohl inhaltlich als auch stilistisch. Akbar hat keine Angst vor einem polarisierenden Titel und einer literarischen Stil Compilation, die so bunt und wild gemischt ist, dass sie mich als Leser*in verwirrt und fast hinter sich lässt.

Aber wie beim Achterbahn fahren kann es auch jede Menge Spaß machen, wenn ich nicht mehr weiß, wo oben und unten ist.

Die Eltern des Protagonisten Cyrus, Ali und Roya, sind mit ihm Ende der 80er aus dem iranischen Teheran in die USA ausgewandert, weil es dort Arbeit auf einer Geflügelfarm in Indiana gibt. Cyrus ist auch noch ein Baby, als ein Kriegsschiff der US Navy ein iranisches Passagierflugzeug mit seiner Mutter an Bord über dem Persischen Golf abschießt. Ein Ereignis, das einen wahren historischen Hintergrund hat. Ein Versehen heißt es.

Deswegen wächst Cyrus alleine mit seinem trauernden Vater Ali auf. Der arbeitet hart um seinem Sohn eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Living the american Dream vs. He works hard for the Money. In einem sehr empfehlenswerten und ausführlichen Artikel im SPON heißt es, dass ebenfalls in Teheran geborene Akbar auch einige autofiktionale Elemente in seinen Roman mit einfließen lassen hat.

Arbeitsmigration in den USA

Auf der Erzählebene der Gegenwart ist Cyrus längst erwachsen, sein Vater ist tot und er hat die wilde und exzessive Alkohol-und Drogenkarriere seiner 20er hinter sich gelassen. 

„Cyrus wollte nur, was vermutlich jeder wollte – sich die ganze Zeit gut fühlen.“

Dabei hat er es ordentlich krachen lassen, ist aber mittlerweile clean und hat andere Interessen. Ihn faszinieren Märtyrer und er will ein Buch darüber schreiben.

“Cyrus spürte eine Bereitschaft, einer von ihnen zu werden, sich in die ehrenhafte Totenschar einzureihen. Er fühlte sich sogar bereit, dieses Ziel durch eigenes Zutun zu erreichen. Die meiste Zeit jedenfalls. Mal war er bereit, dann wieder nicht.“

Klingt ziemlich gefährlich? Eine Weile denke ich, der Roman bewegt sich in diese Richtung, und sicher ist die potentielle Motivation zum Märtyrertum eines der vielen Themen in Akbars Roman. 

Aber eine solche Monochromie wird diesem Mosaik an Gedankensträngen nicht gerecht. 

Für mich sind die Kernszenen des Romans die Begegnungen zwischen Cyrus und Orkideh im Brooklyn Museum. Orkideh ist eine ebenfalls in den USA lebende iranische Performance Künstlerin, die letal an Krebs erkrankt ist und ihre letzten Tage für ihr letztes  Kunstprojekt „Death-Speak“ im Museum verbringt.

Wer wird ein Märtyrer?

Dabei können Besucher*innen mit ihr ins Gespräch kommen und ihr Fragen über das Sterben stellen.

Cyrus, getrieben von der Vorstellung den Tod mit Bedeutung zu befrachten und von seinem Märtyrer Buch, besucht die sterbende Künstlerin. Beide spüren sofort eine Verbindung.

Neben dieser Handlungslinie streut Akbar immer wieder Rückblicke und Erzähleinheiten aus anderer Perspektive ein. Cyrus Onkel und seine Mutter kommen zu Wort aber auch sein bester Freund und Love Interest Zee.

Ergänzt wird das ganze durch wilde Traumszenen, Militärberichte zu dem  Flugzeugabsturz und Auszüge aus Cyrus Märtyrerbuch.

Und dann kommt gegen Ende auch noch ein Twist, den ich trotz der im Nachhinein offensichtlichen Andeutungen nicht habe kommen sehen und der mich ziemlich überrascht. So ein selten gewordenes Überraschungsmoment freut mich als erfahrene Leserin immer ungemein.

Okay, Akbar schafft es dann meiner Meinung nach nicht mehr die Konsequenzen dieser Offenbarung ausreichend tiefgründig abzuarbeiten, aber das fällt bei dem komplett überzogenen Ende im Stil eines Comic Reliefs nicht mehr weiter ins Gewicht.

„Märtyrer!“ Ausrufezeichen, ist wirklich der fulminante Roman, als der er in den USA bereits gefeiert wird und als der auch bei uns beworben wird. Ein persönliches Highlight war er trotz aller Aufregung für mich aber nicht, dafür waren mir die Themen zu breit aufgefächert und insgesamt emotional für mich persönlich zu wenig relatable.

Ich möchte mit einem Zitat aus den letzten Szenen mit Cyrus enden, und lasse es genauso wie Akbar offen, ob sie vielleicht nicht doch zynisch gemeint sein könnten.

„Liebe war ein Raum, der entstand, sobald man ihn betrat. Das begriff Cyrus jetzt, und er betrat ihm.“

  • Kaveh Akbar
  • Märtyrer! Kaveh Akbar Klappentext

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