„Schlaglicht“ (org. „Headshots“) war ein überraschend großartiger und literarisch ultra fresher Roman. Nach „Brown Girls“ bereits die zweite super aufregende Stimme der jungen amerikanischen Gegenwartsliteratur, die ich entdecken darf!
Artemis Victor, Andi Taylor, Kate Heffer, Rachel Doricko, Iggy und Izzy Lang, Rose Mueller und Tanya Maw.
Diese jungen Frauen und Mädchen boxen in Bobs Boxpalast in Reno beim 12. jährlichen Daughters of America Cup um den Titel. Sie sind die besten jungen Boxerin der Nation unter 19 Jahren und kommen aus verschiedenen Staaten der USA zusammen um gegeneinander zu kämpfen.
Aber mit Glamour und Fame hat die Veranstaltung wenig zu tun. Das Gym ist heruntergekommen, die Referees und Judges abgestumpft und nur eine Handvoll Zuschauer ist in der Halle.
Aber Rita Bullwinkel beschreibt die jungen Frauen in ihrer Einzigartigkeit als strahlend, erleuchtet von ihrem jugendlichen Kampfgeist und dem Willen zu gewinnen.
“Die Schweißflecke unter den Achselhöhlen der Judges sehen dreckig und kränklich aus, ein klares Zeichen menschlicher Verwesung. Die jungen Kämpferinnen haben eine völlig andere Aura. Sie sind das Gegenteil von menschlicher Verwesung. Sie beschleunigen sich immer weiter vom Tod weg, mit Geschwindigkeit und Präzision. Unsterblichkeit umgibt sie. Selbst der stumpfsinnigste der Judges kann spüren, dass diese Mädchen ziemlich übermenschlich sind.”
Jede von ihnen hat ihre eigene Geschichte und ihre eigenen Motivation zu boxen. Es ist für jede der Versuch gegen etwas zu kämpfen, für sich selbst zu kämpfen und sich von Zuschreibungen zu befreien. Es ist ihr Kampf für einen andere, vielleicht bessere Zukunft.
Der Kampf gegen sich selbst
Dabei macht Bullwinkel immer klar, dass es um den inneren Blick der Frauen auf sich selbst und um einen metaphorischen Sieg geht. Ein Sieg wird auf Grund von der sexistische Herabwürdigung von weiblichen Boxkämpfen keiner einen Gewinn oder Anerkennung auf materieller oder gesellschaftlicher Ebene ermöglichen.
„Man kann für keine Sportart trainieren, wenn man nicht daran glaubt, dass man sein Schicksal selbst in der Hand hat. Sinn des Trainings ist, dass man durch das Trainieren den Verlauf seiner eigenen Zukunft beeinflußt. Man trainiert, weil man dadurch etwas, das man sonst verloren hätte, gewinnen kann.“
Den Aufbau des Romans finde ich raffiniert und aufregend. Bullwinkel beschreibt nur die einzelnen Kämpfe der jungen Frauen im manchmal minutiöser Detailgenauigkeit in der Art einer Sportberichterstatterin, vermischt die sehr präsenten Szenen aber mit Gedankenrückblicken und Vorgriffe auf die Zukunft ihrer Figuren.
Bullwinkels nüchterner Stil entwickelt so eine wahnsinnige Sogkraft und Spannung. Als Leser*in bin ich mitten im Boxring dabei und kann die aufgeladene Hitze in Bobs Boxpalast fast spüren. Ihre Figuren entwirft Bullwinkel in wenigen Zeilen detailliert und mit präziser Beobachtungsgabe.
„Schlaglicht“ ist gleichzeitig eine Liebeserklärung an den Kampfgeist und die Widerstandskraft junger Frauen, der als Konstante aus der Vergangenheit in die Zukunft reicht.
“Männer sind Sackgassen, aber Frauen sind unendlich.”
Unbedingt lesen!
Ein großes Dankeschön an die Aufbau Verlage für das aufregende Rezensionsexemplar und Danke und viel Erfolg an Rita Bullwinkel für den Roman.
Aus dem Amerikanischen von Christiane Neudecker, die als Kickboxerin und Ringsprecherin die bestmögliche Erfahrung und das Wording für „Schlaglicht“ mitbringt!
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