Oh ja, das war ungewöhnlich! Der Roman „Wo Milch und Honig fließen“ lässt sich nur schwer einem bestimmten Genre zuordnen.
Es ist auf jeden Fall eine gesellschaftskritische und spannende Dystopie, denn der Roman spielt in einer nicht sehr fernen Zukunft, in der wir unsere Lebensgrundlage fast vollständig zerstört haben. Ein weltweiter Smog hat sich ausgebreitet und die Nahrungsmittelproduktion zum Erliegen gebracht. Die Bevölkerung ernährt sich von eilig entwickelten genmanipulierten Lebensmitteln, Hunger ist an der Tagesordnung.
Für eine junge Köchin, Zhangs Ich-Erzählerin, natürlich eine äußerst unbefriedigende Situation, sie sehnt sich nach frischen und ursprünglichen Lebensmitteln.
Da sie momentan nicht in ihre Heimat Kalifornien in die USA einreisen kann, bewirbt sich für die Stelle der Köchin in einer der letzten Enklaven, die noch nicht vom Smog betroffen sind. In einer hoch gelegenen Bergregion Italiens hat sich ein superreicher Milliardär mit seiner Tochter ein Luxusressort für Auserwählte errichtet, dass sie als Forschungsstation tarnen. Die beiden verfolgen dort ihre eigene Agenda für ihre Zukunft.
Zu diesem Duo stößt die Erzählerin, als sie den Job als Köchin bekommt und die drei bilden ein Trio mit einem höchst komplizierten zwischenmenschlichen Beziehungsgeflecht.
Drei sind eine*r Zuviel?
Denn die Aufgaben der Erzählerin, die genauestens vertraglich geregelt werden, beinhalten nicht nur die Tätigkeit als Köchin…
“Es war ein guter Deal. Ich verkaufte mein Ich. Menschen hatten schon für viel weniger ihr Leben verloren als achtundsiebzigtausenddreihundertfünfundvierzig Dollar und zehn verdammte Cent.”
Die dystopischen Elemente verbindet Zhang mit tief analysierenden Beschreibungen der Innenansicht der Erzählerin und ihrer Beziehungen. Das verbindende Topos, das sich durch den ganzen Roman zieht ist das Essen. In sinnlichen Beschreibungen der verschiedenen Lebensmittel und Gerichte ergründet Zhang die Bedeutung von Essen auf unser Leben, auf unsere Prägung und auf unsere Gesellschaft.
Gerade zum Ende hin gefällt mir der Roman sehr, sehr gut und erreicht mich auf emotionaler Ebene mit seiner Botschaft. Ich bin sehr angetan von der Vielschichtigkeit der Geschichte, die sich in ihrer Komplexität sehr subtil entfaltet und in der oft mehr steckt, als es vielleicht den ersten Anschein weckt. Aber auch Leser*innen, die einfach auf der Suche nach einer spannenden Geschichte sind, werden mit dem Roman der Wahl-Amerikanerin Zhang sehr gut bedient sein!
„In den Jahren, die ich hatte, habe ich die Welt probiert, und jetzt, am Ende, kenne ich ihre Köstlichkeiten.“
Aus dem amerikanischen Englisch von Eva Regul. Sie übersetzte bereits „Wieviel von diesen Hügeln ist Gold“ (jetzt natürlich auf meiner Wunschliste) von C Pam Zhang.
Vielen, vielen Dank an den S. Fischer Verlag, der mich mit einem Rezensionsexemplar von „Wo Milch und Honig fließen“ versorgt hat.
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