„Wo wir uns treffen“ ist nach „Was wir sind“ und „Der weiße Fels“ schon der dritte Roman, den ich von der britischen Schriftstellerin lese. Und ja, daraus könntest du durchaus schließen, dass ich die Autorin ziemlich gerne lese.
Zwar fand ich „Der weiße Fels“ nicht durchgängig gut, dafür legt Hope mit „Wo wir uns treffen“ wieder mit einem Roman nach, der mich sehr abgeholt hat.
Schon allein das Setting klingt für mich vielversprechend: „Drei Geschwister, ein großes Erbe und ein zweifelhaftes Vermächtnis“.
Der alte Patriarch eines großen herrschaftlichen Familienanwesens in Sussex ist gestorben. Philip war als britisches Familienoberhaupt so stereotyp, wie du es dir nur vorstellen kannst. Toxisch zu seiner Frau, unnahbar und abwesend für seine Kinder. Die Verantwortung für seine Ländereien und das Landgut trugen andere.
Erst kurz vor seinem Tod scheint er die Nähe zu seinen erwachsenen Kinder zu suchen und den Sinn seines Lebens zu überdenken. Seine drei Kinder, Isa, Fran und Milo reagieren unterschiedlich auf seine Annäherungsversuche. Die Verletztung und Versäumnisse aus der Kindheit wiegen schwer.
Hope siedelt die Handlung am Wochenende der Beerdigung an, was ihr die Gelegenheit gibt, die Familie, ihr Probleme und ihre Geheimnisse effektiv implodieren zu lassen.
Es stellt sich heraus, dass Isa auch noch die Tochter von Philips mittlerweile verstorbenen Geliebten in den USA kontaktiert hat und sie zur Beerdigung eingeladen hat.
Es herrscht große Bestürzung, als den Geschwistern der Gedanke kommt, dass die Unbekannte vielleicht Philips uneheliche Tochter sein könnte…. Und somit vielleicht ebenfalls erbberechtigt.
Du denkst an Downtown Abbey und an die britische Familiengeheimnisse der Romane à la Kate Morton und Co.?
Gewisse klassische Elemente des Genres sind klar vorhanden. Es gibt unerwiderte Liebe und es werden Geheimnisse aus der Vergangenheit gelüftet, und doch überrascht Hope mit der Richtung, die sie einschlägt.
Geheimnisse der anderen Art
Wobei, ich bin eigentlich gar nicht so überrascht, denn Hope führt die Themen, die sie in „Der weiße Fels“ bereits aufgegriffen hatte, auf dem Familienanwesen in Sussex weiter und baut sie weiter aus.
Es geht um die weißen Privilegien der Oberklasse, ihren Besitz und die Verantwortung gegenüber der Vergangenheit und der Zukunft. Können beide miteinander in Einklang gebraucht werden?
Nebenbei bringt Hope auch wieder die bewusstseinserweiternde Wirkung von psychotropen Pflanzen mit ins Bild. Scheinbar ein kleines Steckenpferd der Autorin.
Bereits in meinem Beitrag zu „Der weiße Fels“, der mich mit seinem Plot nicht ganz abgeholt hat, lobte ich Hope als großartige Erzählerin. Dieses Können zeigt sie auch in „Wo wir uns treffen“ wieder eindrucksvoll.
Ihre Figuren sind psychologisch ausgereift und stimmig angelegt und ich folge ihren Geschichten mit größtem Vergnügen.
Gerne wäre ich noch länger bei ihnen verweilt, doch der Abschied wird mir mit einigem Fan Service versüßt.
Wer hinter diesem Cover und der Kurzbeschreibung aber eher eine in sich geschlossene Familiengeschichte erwartet, wird vielleicht ein bißchen enttäuscht sein. Hopes Romane beinhalten trotz aller Konkretheit immer auch einen kleinen, feinen Anteil an abstrakterer Metaebene. Mir macht das viel Spaß, dort losgelöst von der Erzählzeit kurz frei zu schweben.
Das Hörbuch fand ich passend und einfühlsam von der Sängerin und Schauspielerin Julia Meier eingesprochen und es erschien bei GoyaLit.
Das Hardcover erschien gerade bei @hanserliteratur.
Vielen lieben Dank an den Goya Verlag und NetGalley für das digitale Hörexemplar. Danke und viel Erfolg an Anna Hope für den Roman!
Übersetzt aus dem Englischen von Ulrike Kretschmer

Schreibe einen Kommentar