„Ihr Name war Magda. Niemand wird je erfahren, wer sie getötet hat. Ich war es nicht. Hier ist ihre Leiche.“
Das steht auf einem Zettel, den die ältere Vesta Guhl auf einem ihrer Spaziergänge mit ihrem Hund Charlie findet. Sonst nichts.
Allerdings gibt es keine Spur von einer Leiche, sondern nur diesen Zettel und ein paar schwarze Steine.
So beginnt der Moshfeghs Roman „Der Tod in ihren Händen“ und gleichzeitig Vestas Obsession, mehr über Magda und ihre mögliche Ermordung in Erfahrung zu bringen.
Vesta ist 72 und lebt alleine mit ihrem Hund Charlie in einer Hütte im Wald nahe dem Örtchen Levant, wohin sie nach dem Tod ihres Mannes Walter gezogen ist. Die Witwe legt viel Wert auf ihre Alltagsroutine und sie verbringt ihre ruhigen Tage immer im gleichen Rhythmus. Doch der Fund der mysteriösen Botschaft beflügelt ihre Fantasie. Wer war Magda, wie hat sie gelebt und wie ist sie gestorben?
Vesta, die Moshfegh aus Ich-Perspektive erzählen lässt, stellt sich Magda als junge, schwarzhaarige Frau vor, die als illegale Migrantin in die USA gekommen ist.
In ihrer Fantasie malt sie sich immer detailreicher Magdas möglichen Lebenslauf aus. Parallel beginnt Vesta unauffällige Nachforschungen in ihrem Umfeld anzustellen.
Und was eigentlich unmöglich ist: sie trifft die fiktive Figuren aus Magdas ausgedachten Leben auch in der Realität!
Ich bin großer Fan der Romane von Ottessa Moshfegh und “Der Tod in ihren Händen” zeigt mir perfekt, warum.
Die Handlung klingt vielleicht wie die einer Kriminalgeschichte und das ist sie auch, aber es steckt eigentlich noch so viel mehr in der Geschichte. Nach und nach offenbart sich aus Vestas rückblickender Erzählung, wie unglücklich sie in ihrer Ehe mit dem egoistischen Walter war und wie sehr sie es jetzt genießt, selbst über ihr Leben, ihre Zeit und ihren Körper verfügen zu können.
Toxischer Ehemann?
Vieles ihrer ausgedachten Geschichten über Magda sind reine Projektion. Oder? Aber warum stellen sich einige von Vestas Vermutungen dann als wahr heraus?
Wer schon mal einen Moshfegh gelesen hat, weiß, dass es nicht unbedingt auf alle Fragen eine stringente Antwort geben wird. Vielmehr sind ihre Romane vielschichtig und interpretationsoffen aufgebaut und ich weiß nie so recht ob ich mich nicht gerade auf einer der vielen Metaebenen befinde. Oder anders gesagt, es gibt keinen festen Boden der Tatsachen.
Ich hoffe sehr auf baldigen Nachschub der US-amerikanischen Schriftstellerin mit der iranisch-kroatischen Abstammung. Falls du noch gar nichts von Ottessa Moshfegh gelesen hast, wäre “Der Tod in ihren Händen” der perfekte Einstieg, denn ihr letzter Roman “Lapvona” ist…härtere Kost.
Das Hörbuch erschien 2021 bei Hörbuch Hamburg und wird wunderbar gesprochen von der Schauspielerin und Sprecherin Regine Vergeen . Der Roman erschien als Hardcover bei Hanser Berlin.
Übersetzt aus dem Englischen von Anke Caroline Burger
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