„Wir haben es nicht gut gemacht.“

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Wir haben es nicht gut gemacht Briefwechsel Bachmann frisch

Der Briefwechsel – Ingeborg Bachmann/Max Frisch

Seit seiner Veröffentlichung von „wir haben es nicht gut gemacht“ schlich ich um diesen Briefwechsel herum. Ich bin mit den Werken und Lebensläufen von Bachmann und Frisch nur rudimentär vertraut, aber dieser intellektuelle Nimbus, der diese Namen umweht, hat für mich etwas ungemein Einschüchterndes. 

Ich wollte wegen DIESER Frau diesen Briefwechsel lesen. Wollte wissen, wie sie sich auf dem Feld der Liebe schlägt, das für uns alle seine Schwierigkeiten bereit hält.

Literaturwissenschaftlich kann ich zu diesem Briefwechsel nichts mit Mehrwert beitragen, (ich bin ein verdammter Rechenknecht*), doch das Menschliche dahinter ist universal begreifbar. Und für mich ging dieser Briefwechsel in seiner Bedeutung über die Kommunikation zweier Individuen hinaus.

Er zeigt beispiellos, wie verfehlt und unmöglich es ist, eine (oder jede) Beziehung von außen anhand kleiner Ausschnitte zu beurteilen. Trotz dieser äußerst intimen Einblicke kann niemand ermessen, wie es wirklich in den beiden ausgesehen hat, welche Gedanken unaufgeschrieben und unveröffentlicht geblieben sind.

Und doch geben die Briefe eine Ahnung und lassen vielleicht Rückschlüsse über die tiefe Zerrüttung, die diese Liebe und ihr Scheitern beiden Schriftsteller*innen gebracht hat.

Wechselwirkungen einer Beziehung?

Natürlich identifiziere ich mich stärker mit Bachmanns Seite und Emotionen. Ihre Kämpfe und Ringen um eine gleichberechtigte Beziehung und Selbstbild sind für mich ein zeitloses und wiederkehrendes Thema.

“Ich werde solange ich liebe keinen Platz in der Welt finden. Nie das bekommen was ich am meisten ersehne”

Doch auch Frischs unglaublich geschliffene und ausdrucksstarke Texte überraschen mich in ihrer Offenheit und Verletzlichkeit. Ihn auf den üblichen männlichen Pascha zu reduzieren, wird ihm in keinem Fall gerecht. Die gegenseitigen Dynamiken und Abhängigkeiten sind, wie so oft, komplex.

Ja, ich gab mich beim Hören einer gewissen voyeuristischen Lust hin, die allerdings bei manchen Passagen, v.a. Bachmann betreffend, in große Betroffenheit umschwang. Es wird sehr viel Intimes offenbart und es ist bekannt, dass Bachmann nie wollte, dass der Briefverkehr an die Öffentlichkeit gelangt.

Dennoch, ich bin sehr froh, dass ich mich an diesem Briefwechsel dieser beiden Intellektuellen gewagt habe. Dieser beiden unterschiedlichen Seelen, die das Risiko der Liebe doch gewagt haben. Das hat mir persönlich in seiner Verletzlichkeit und in seiner Menschlichkeit sehr viel bedeutet und wird mich noch lange, lange in Gedanken begleiten.

Kommentiert werden die Briefpassagen mit Einschüben von Renate Langer und Barbare Wiedemann

Die Printausgabe erschien 2022 beim Suhrkamp Verlag 

P.S.: ein Wort zur Hörbuchausgabe: den Briefwechsel als Hörbuchausgabe statt als Print Version zu hören, hatte für mich Vor- und Nachteile. Die beiden Sprecher*innen leisten eine ausgezeichnete Arbeit und erwecken so die Dokumente zum Leben. Ein wahrer Hörgenuß. Auf der anderen Seite fließt so immer schon eine gewisse Interpretation mit ein und die Neutralität des geschriebenen Briefes geht in gewisser Weise verloren. Für mich als geübte Vielhörerin, die den Briefwechsel ohne wissenschaftlichen Anspruch hörte, war es genau das Richtige.

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Eine Antwort zu „„Wir haben es nicht gut gemacht.““

  1. […] die emotionale Wucht und die Intensität des Briefwechsels zwischen Bachmann und Frisch, das zum den bewegendsten Büchern dieses Jahres für mich gehörte, kommt das kleine Büchlein von […]