Für „Das letzte Leuchten im Winter“ wird es am Ende dieser Rezension nur ein sehr eingeschränkte Leseempfehlung geben.
Denn ich hatte zwar große Erwartungen an für den National Book Award 2023 nominierten Roman, aber nicht wirklich eine gute Lesezeit.
Der Roman wird als „Das zauberhafte Winterbuch von der National Book Award Finalistin – inspiriert von wahren Ereignissen“ beworben, aber in meinen Augen ist der Roman genauso wenig zauberhaft wie die ihnen zu Grunde liegenden historischen Ereignisse.
Die US-amerikanisch Schriftstellerin Hanna Pylväinen ist selbst Tochter finnischer Eltern und verbrachte für ihre Recherche mehrere Monate unter den Sámi. Die Sámi sind ein indigenes Volk im Norden Skandinaviens, dass seit der Kolonisation durch weißer Siedler*innen im 17. Jahrhundert in ihrer Identität unterdrückt und in ihrer nomadischen Lebensweise eingeschränkt wurde. Auch die radikale Christianisierung und Missionierung wurde meist mit Gewalt durchgesetzt, wenn die Sámi nicht freiwillig bereit waren, den anderen Glauben und die Lebensweise der Suppreneure anzunehmen. So verschlechterten sich die Lebensbedingungen und die sozialen Verhältnisse der Sámi immer weiter, bis es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam.
Genau in dieser Zeit Mitte des 19. Jahrhunderts spielt die Handlung in Pylväinens Roman „Das letzte Leuchten im Winter“ und beleuchtet genau dieses Konfliktfeld.
Ihre zahlreichen Protagonist*inne entstammen den gegensätzlichen Lagern aus ansässigen Sámi und Zuwander*innen. Da ist zum einen die kinderreiche Familie des Pfarrer Lars Levi Laestadius, der in brennenden Missionierungseifer die Sámi am arktischen Wendekreis bekehren möchte. Seine Tochter Willa verliebt sich bei einer schicksalshaften Begegnung in den jungen und attraktiven Ivvár. Ivvár ist ein Sámi, der alleine für seine Rentierherde verantwortlich ist, seit sein Vater bekehrt wurde und sich von der Lebensweise der Sámi abgewendet hat.
Auch Ivvár entbrennt für die junge Frau, die in einer ganz anderen Lebensrealität lebt und sozialisiert wurde als er.
Love Story am Wendekreis?
Pylväinen macht sehr deutlich, dass ideale Liebe unter solchen Bedingungen wenig Raum und Chancen hat.
Auch ganz grundsätzlich ist die Stimmung des Romans hart, desillusionierend und wenig hoffnungsvoll. Und dies ist angesichts der Zerstörung und Unterdrückung der samischen Kultur und Lebensweise und das Leid, das damit einherging, absolut angemessen.
Angesichts dieser wichtigen historischen und interessanten Hintergrunds war es für mich umso mehr enttäuschend, dass mich Pylväinens Erzählstil überhaupt nicht abholen konnte. Der Roman hat über 500 Seiten, aber der Spannungsbogen ist so flach, dass es wirklich sehr zäh zog. Die Erzählperspektive wechselt sehr häufig und unangekündigt und in meinen Augen teilweise unnötig zwischen den vielen Figuren. Detailreich geschilderte Szenen und Dialoge ziehen sich für mich in die Länge.
Es fehlt leider auch ein Stichwortverzeichnis der samischen Begriffe, die Pylväinen häufig verwendet. Vieles erschließe ich aus dem Kontext oder muss es googlen, was zwar lehrreich, aber mühsam ist.
Von daher würde ich den Roman hauptsächlich für Lesende empfehlen, die sich speziell für diesen Teil der skandinavischen Geschichte interessieren und mehr über die traditionellen Lebensweise der Sámi lesen möchten, ohne dazu notwendigerweise einen Pageturner zu brauchen.
P.S.: Im Nachhinein ist mir die große Ähnlichkeit zu dem Titel und der Covergestaltung von „Das Leuchten der Rentiere“ aufgefallen. Ob das reiner Zufall oder eine Marketing Entscheidung war? Auf jeden Fall sind die Romane nicht miteinander zu vergleichen, ohne dass ich hier eine Wertung aussprechen möchte.
Vielen lieben Dank an den Gutkind Verlag für das Rezensionsexemplar. Danke und viel Erfolg an Hanna Pylväinen für den Roman!
Aus dem amerikanischen Englisch von Karoline Hippe
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