Rezension
An einen Satz muss ich immer denken, während ich „Die lichten Sommer“ von Simone Kucher lese. „Ja, früher war alles besser“ the fuck!
Denn ein Erzählstrang von „Die lichten Sommer“ ist zeitlich in der späteren Nachkriegszeit angesiedelt, die oft noch in meinem Umfeld als vermeintlich heile Welt erinnert wird. Als die Welt noch in Ordnung war.
But guess what, es war schon immer komplex.
Anfang der 70er, es ist die Zeit der weggedrückten und überblendeten Gefühle. Die Zeit, in der ein klares Rollenbild für Männer, Frauen und Kinder vorgesehen war.
In dieser Zeit wird Liz erwachsen. Sie ist das Kind zweier aus Südmähren vertriebener Eltern. Die Jugend ihrer Mutter Nevenka erzählt Kucher auf einem zweiten, zeitlich versetztem Strang.
Liz erlebt wie viele Flüchtlinge überall auf der Welt und zu allen Zeiten Ausgrenzung und Abwertung. Da scheint der jungen Frau die Ehe mit dem gediegenen Robert wie die Rettung und der Aufstieg in besser gestellte Gesellschaftskreise.
Die Ehe zu einer Zeit, als Männer ihren Frauen noch das Erwerbsarbeiten, ein eigenes Konto und sexuelle Selbstbestimmung rechtlich unterstützt verbieten konnten, als Befreiungsschlag?
Besonders die Beschreibung von Liz`s Ehealltag und den Umgang mit ihren Kindern fand ich eindringlich und ernüchternd.
Nevankas Geschichte, die Mutter von Liz, die in der Tschechoslowakei geboren wird und dort bis zur ihrer Vertreibung nach dem Krieg aufwächst, ist anfangs leichtfüßiger und voller zärtlicher Freundschaftsmomente. Doch auch hier lauern in der Erwachsenenwelt unausgesprochene Schrecken und unsagbare Erlebnisse.
Wie können diese Generationen miteinander in Kontakt kommen? Was sind die verbindenden Elemente, was trennt?
Gibt es ein Zueinanderfinden trotz der Sprachlosigkeit?
Die Schicksale beider Frauen berühren mich. Näher kommt mir allerdings die Geschichte von Liz, die zur Generation meiner Mutter gehört und deren Jugend und Lebensweg zwar anders verlaufen, aber doch unter ähnlichen gesellschaftlichen Vorzeichen stattgefunden haben muss.
Die Sprache ist einfach und adjektivreich was schöne innere Bilder erzeugt, die Pelzmäntel sind butterweich, die Tropfen haselnussgroß.
Ansonsten ist Kuchers Schreibstil überraschend schlicht und ohne literarische Petitessen, was im Charakter sehr gut zu den Figuren passt.
Dennoch kann mich der Roman erst im letzten Drittel so richtig erreichen. Ich glaube, es ist die distanzierte beobachtende Erzählperspektive, die für mich zur Hindernissschwelle wird.
„Die lichten Sommer“ ist auf jeden Fall ein lesenswerter Roman, kann aber bei meinen zuletzt gelesen Highlights unter den Debütromanen nicht mithalten. Muss er ja aber auch gar nicht.
Ein großes Dankeschön an den Kjona Verlag und Katrin von Kirchner Kommunikation für das wunderschöne und nachhaltige Rezensionsexemplar und natürlich an Simone Kucher für den Roman!
Ich empfehle dir auch den lesenswerten und ausführlichen Blog Beitrag auf Zeichen & Zeiten!
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